Der
vorangegangene Blog-Beitrag schloss mit der Bemerkung, dass der
Selbstfindungsprozess der Piratenpartei nicht unter Ausschluss der
Öffentlichkeit gelingen kann. Dabei wurde der Begriff Öffentlichkeit zunächst
unhinterfragt im normalen Alltagsverständnis benutzt. Mit dem Aufkommen des
Internets wurden der Begriff Öffentlichkeit
und der Gegenbegriff Privatheit
zunehmend fragwürdiger. Das althergebrachte Verständnis, dass Öffentlichkeit
vor der eigenen Haustür beginnt, wird dadurch konterkariert, dass Personen heute
ihr Privatleben im Internet zugänglich machen und ihre intimsten Details –
zumindest im Prinzip – mit einem Millionenpublikum teilen können oder dass über soziale Netzwerke persönliche Daten frei zirkulieren und für jeden zugänglich sind. Das Private
wird öffentlich, egal ob freiwillig oder unfreiwillig. Eine klare Grenze lässt sich heute nicht mehr ziehen, wenn die
Öffentlichkeit aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten nicht mehr an der Haustür endet. Vielmehr fragt man sich, was
Privatsphäre im Internetzeitalter noch bedeuten kann. Das Skandalöse des
Internets ist, dass es radikal die bisherigen Vorstellungen davon, was
öffentlich und privat ist, in Frage stellt und scheinbar mit unseren alten Gewohnheiten
der Darstellung im öffentlichen Raum bricht.
Für den soziologisch geschulten Beobachter ist dieser Bruch allerdings nicht ganz so radikal wie er sich im Alltagsverständnis anfühlt. Speziell wenn man mit den mikrosoziologischen Studien von Erving Goffman vertraut ist (1974; 2002), sieht man mehr Kontinuität als man vielleicht vermuten könnte. Goffman interessierte sich besonders für die Darstellung von Individuen im öffentlichen Raum – das zu einer Zeit als an das Internet, wenn überhaupt, nur ansatzweise zu denken war. Der öffentliche Raum begann im damaligen Verständnis tatsächlich noch vor der eigenen Haustür. Goffmans Aufmerksamkeit bei seinen Untersuchungen lag auf der Sichtbarkeit der Menschen im öffentlichen Raum und wie Menschen im Bewusstsein über diese Sichtbarkeit sich verhalten. Mit präzisem Blick arbeitet Goffman heraus, dass schon damals die Menschen teilweise sehr penibel darauf achteten, wie sie in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten, d. h. welche Informationen Menschen über sich selbst in der Öffentlichkeit preisgeben und welche nicht. Im Mittelpunkt der Achtsamkeit für das eigene Auftreten stand dabei, welches Bild sie gegenüber ihren Mitmenschen abgeben.
Für den soziologisch geschulten Beobachter ist dieser Bruch allerdings nicht ganz so radikal wie er sich im Alltagsverständnis anfühlt. Speziell wenn man mit den mikrosoziologischen Studien von Erving Goffman vertraut ist (1974; 2002), sieht man mehr Kontinuität als man vielleicht vermuten könnte. Goffman interessierte sich besonders für die Darstellung von Individuen im öffentlichen Raum – das zu einer Zeit als an das Internet, wenn überhaupt, nur ansatzweise zu denken war. Der öffentliche Raum begann im damaligen Verständnis tatsächlich noch vor der eigenen Haustür. Goffmans Aufmerksamkeit bei seinen Untersuchungen lag auf der Sichtbarkeit der Menschen im öffentlichen Raum und wie Menschen im Bewusstsein über diese Sichtbarkeit sich verhalten. Mit präzisem Blick arbeitet Goffman heraus, dass schon damals die Menschen teilweise sehr penibel darauf achteten, wie sie in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten, d. h. welche Informationen Menschen über sich selbst in der Öffentlichkeit preisgeben und welche nicht. Im Mittelpunkt der Achtsamkeit für das eigene Auftreten stand dabei, welches Bild sie gegenüber ihren Mitmenschen abgeben.
Im Bewusstsein der eigenen
Sichtbarkeit bzw. Wahrnehmbarkeit durch Interaktionspartner versuchen Menschen
ein bestimmtes, sozial akzeptables Image zu kreieren. Der zentrale Aspekt ist
die besagte gegenseitige Wahrnehmbarkeit der Interaktionspartner und dass sich
die Interaktionspartner über die eigene Wahrnehmbarkeit durch andere bewusst
sind. Dieser Aspekt der Wahrnehmung des Wahrgenommen-Werdens unterläuft aber
bei genauerer Betrachtung bereits das alte Öffentlichkeitsverständnis, denn
sobald man in der Beobachtung darauf abstellt, überschreitet man bereits die Grenzen zwischen privat und öffentlich. Wenn das Wahrnehmen des Wahrgenommen-Werdens das
Hauptmerkmal der Interaktion unter Anwesenden ist, dann lässt sich das auf jede
Interaktionssituation ausweiten. Man bleibt also bereits aus dieser Perspektive
nicht mehr vor der Haustür stehen, sondern es kommen auch
Interaktionssituationen in den Blick die man herkömmlich als privat bezeichnet.
Unter Anwesenden kann man Sichtbarkeit nicht vermeiden. Mit dieser
interaktionstheoretischen Perspektive wurde zumindest analytisch der Unterschied von
privat und öffentlich lange vor der Entstehung des Internets verwischt.
Die Frage ist nun: was hat sich
mit dem Internet verändert? Im Grunde genommen nicht viel. Das Internet als
technologische Infrastruktur zur Verbreitung von Informationen und Ermöglichung
der Kommunikation unter Abwesenden hat lediglich das Sichtfeld erweitert. Dies
wird verständlicher, wenn man zu einer abstrakteren Begrifflichkeit wechselt.
Niklas Luhmann hat mit seiner Theorie sozialer Systeme einen Begriffsapparat zu
Verfügung gestellt, der es ermöglicht Aspekte der modernen Gesellschaft tiefenschärfer
zu beschreiben. Die Theorie sozialer Systeme fasst Gesellschaft als die
Gesamtheit der stattfindenden Kommunikationen auf. Kommunikation ist dabei
alles das, was zwischen Menschen abläuft. Menschen selbst sind aber nicht Teil
dieses Kommunikationssystems, sondern gehören zur Umwelt des Systems. Außerhalb der Gesellschaft, also in der Umwelt, gibt es keine weiteren Kommunikationssysteme. Jede
Kommunikation ist eine Operation des Unterscheidens und Bezeichnens (vgl. Luhmann 1997, Spencer Brown 1997). Diese
Operation wird auch Beobachtung genannt. Durch Bezeichnung wird etwas für das
System als relevant markiert, ergibt aber seinen Sinn nur in der Relation zu
anderen nachfolgenden Ereignissen. Anders ausgedrückt wird eine
Beobachtungsoperation erst dann zur Kommunikation, wenn eine weitere
Beobachtungsoperation daran anschließt. Überträgt man diesen Gedanken wieder
auf eine Interaktionssituation so sind die einzelnen Beiträge der Anwesenden Operationen
eines Kommunikationssystems [1].
Neben Gesellschaft ist
Interaktion, verstanden als Kommunikation unter Anwesenden, eine Ebene der
Systembildung [2]. Die Grenze eines Interaktionssystems konstituiert sich an
der Differenz von anwesend/abwesend. Kommunikation findet also unter der
Bedingung der Wahrnehmung des Wahrnehmens der Anwesenden statt. Menschen
gehören unmittelbar zu den externen Funktionsbedingungen eines jeden sozialen
Systems. Bei Interaktionssystemen werden sie aber durch die Inanspruchnahme der
menschlichen Wahrnehmungen für das Funktionieren in besonderer Weise benötigt.
Das ändert sich bei der Kommunikation unter Abwesenden. Diese
Kommunikationsmöglichkeit gab es auch schon lange vor Entstehung des Internets.
Briefe schreiben kann man schon seit einigen Jahrhunderten, Telefonieren kann
man seit 136 Jahren. Die Besonderheit der Kommunikation unter Abwesenden
besteht eben darin, dass die Wahrnehmung des Wahrgenommen-Werdens wegfällt.
Vereinfacht ausgedrückt, man sieht seinen Kommunikationspartner nicht mehr. Es
werden nur noch bestimmte Sinne für Kommunikation in Anspruch genommen.
Beim Telefonieren benötigt man z. B. nur das Gehör. Bei einem Briefwechsel werden die Zeitpunkte für weitere Anschlüsse auseinander gezogen und müssen nicht mehr unmittelbar erfolgen. Man ist dadurch gezwungen aus dem Geschriebenen zu erschließen, was der Absender gemeint haben
könnte. Schon beim Briefwechsel fällt Wahrnehmung als direkte Stütze des Kommunikationsprozesses weg. Stattdessen wird auf Beobachtung im oben beschriebenen Sinne umgestellt - genauer auf Beobachtung von Beobachtern, denn es geht darum zu erschließen, was andere wie beobachten, um einen Anschluss zu finden. In der Möglichkeit mit Abwesenden zu kommunizieren, kann also nicht die große Veränderung des Internets gesehen
werden, denn auch vor dem Internet konnte man kommunizieren ohne anwesend zu
sein.
Die wesentliche Neuerung des
Internets besteht lediglich darin, dass es die Möglichkeiten der Kommunikation
unter Abwesenden in einem bisher nicht gekannten Ausmaß erweitert. Dies sowohl
im Hinblick auf Interaktionsmöglichkeiten mit Abwesenden, also Kommunikation per
E-Mail oder im Chat, als auch im Hinblick auf die klassische massenmediale
Verbreitung von Informationen. Mit letzterem sind nicht nur Online-Versionen
von Printmedien gemeint, sondern auch Plattformen wie youtube. Alle bisherigen
technischen Möglichkeiten für Kommunikation konvergieren in der
Internettechnologie und das bedeutet in der Konsequenz eine ungeheure Erweiterung der Beobachtungsmöglichkeiten [3]. Es muss aber betont werden, dass
das Internet selbst kein System ist. Es bildet lediglich die technische
Infrastruktur für Informationsflüsse. Deswegen wird es auch als
Verbreitungsmedium bezeichnet. Erweiterung der Beobachtungsmöglichkeiten meint
im hier interessierenden Zusammenhang die technischen Möglichkeiten der
Beobachtung von Beobachtern.
Die Konsequenzen dieser technischen
Entwicklung werden deutlich, wenn man sich anschaut, welche Auswirkungen diese
auf der Ebene des kommunizierten Sinns haben. Dabei kommt eine
gesellschaftsstrukturelle Entwicklung in den Blick die ebenfalls lange vor der Entstehung
des Internets begonnen hat. Von der
Öffentlichkeit im Singular kann man heute kaum noch sprechen. Die eine
Öffentlichkeit um deren Zentrum sich quasi die Gesellschaft scharrte, hat es –
wenn überhaupt – nur annährungsweise gegeben. Vielmehr gibt es schon sehr lange
verschiedene Öffentlichkeiten: den Markt zur Beobachtung der Preise, die
politische Öffentlichkeit zur Beobachtung der politischen Konkurrenten und der
Beobachtung dieser durch das Publikum der Bürger. Dieses Bild wird noch gesteigert, wenn man berücksichtigt, dass die moderne Gesellschaft funktional
differenziert ist. D. h. das Gesellschaftssystem hat in sich selbst
verschiedene Subsysteme gebildet, die jeweils eine bestimmte Funktion für die
Gesellschaft erfüllen. Keines dieser Funktionssysteme kann jedoch eine Art
Führungsrolle für sich in Anspruch nehmen, denn kein Funktionssystem ist durch
ein anderes ersetzbar. So haben sich neben den Funktionssystemen Wirtschaft und
Politik auch Recht, Wissenschaft, Religion, Kunst, Liebe, Erziehung und - nicht zu vergessen - Massenmedien
ausdifferenziert (Luhmann 1982; 1988; 1990; 1993, 1995, 2000a; 2000b; 2002; 2004). Jedes dieser Funktionssysteme bildet auch eine eigene
Öffentlichkeit aus. Die Öffentlichkeit der Gesellschaft hat sich im Zuge dessen
in eine Vielzahl von Spezialöffentlichkeiten fragmentiert [4]. Die Themen, über die öffentlich
diskutiert wird, haben sich in einem unüberschaubaren Ausmaß diversifiziert. In
der Folge wird man mit einer Vielzahl an Wissen, Meinungen, Überzeugungen,
Lebensstilen konfrontiert, die von den/dem Eigenen abweichen. Unhinterfragte
Selbstverständlichkeiten werden durch die Konfrontation mit dem Anderen in
Frage gestellt – mehr noch, man selbst als Person wird in Frage gestellt. Das
was bisher als notwendig oder zwingend betrachtet wurde, wird plötzlich
beliebig. Dies wird auch Kontingenzerfahrung genannt und ist typisch eine
Erfahrung, die erst in der Moderne gemacht werden kann. Diese Erfahrung konnte
man zwar auch schon machen oder zumindest erahnen, wenn man das alte
Verständnis von Öffentlichkeit zugrunde legt. Aber erst durch das Internet
werden Kontingenzerfahrungen in ungeahntem Ausmaß forciert.
Beide Seiten der Medaille – die Technologische
auf der einen, die Soziale auf der anderen – ergeben zusammen eine paradoxe
Situation. Technisch haben sich die Möglichkeiten der Beobachtung von
Beobachtern immens erweitert. In gewissem Sinne kann man von einem Mehr an
Öffentlichkeit sprechen. Sozial dagegen hat eine Fragmentierung stattgefunden.
Es gibt immer mehr Spezialöffentlichkeiten, die sich immer nur an ein relativ
kleines Publikum richten. Mit
steigender Anzahl an Öffentlichkeiten verringert sich zugleich das potentielle
Publikum für jede einzelne dieser Öffentlichkeiten. Hinzu kommt, dass es durch funktionale Differenzierung
kaum noch Themen gibt, die von gesamtgesellschaftlicher Relevanz sind und entsprechend viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnten. In diesem Sinne kann von
einem Weniger an Öffentlichkeit gesprochen werden. Im Ergebnis gibt es heute
eine große, kommunikative Freiheit. Diese zeigt sich in dem großen Angebot an
Lebensstilentwürfen die die Gesellschaft heute bereit hält und über die man
sich unter anderem auch im Internet informieren kann. Vor allem Personen, kleine Gruppen oder Gemeinschaften können sich nun relativ zwanglos selbst
verwirklichen. Die große Anzahl an Spezialöffentlichkeiten verhindert aber
zugleich, dass einzelne Ereignisse auf die Gesellschaft als Ganzes durchschlagen.
Gesellschaft meint hier zuerst Weltgesellschaft. Weltgesellschaftlich gesehen ist
es so gut wie ausgeschlossen, dass einzelne kommunikative Ereignisse eine durchschlagende
Wirkung haben. Hinsichtlich einzelner Staaten kann dies sicherlich nicht völlig
ausgeschlossen werden, aber die Erfolgsbedingungen dafür werden durch die
Fragmentierung in Spezialöffentlichkeiten minimiert. Insofern erscheint es z.
B. sehr unwahrscheinlich, dass eine über Facebook organisierte Revolution
gelingen kann. In Post-Industrienationen mit einem hohen Grad an funktionaler Differenzierung sind die Chancen vermutlich wesentlich geringer als in
prä-industriellen Schwellenländern mit einem relativ geringen Grad an
funktionaler Differenzierung. Während in Ägypten sich noch Massen via Internet
mobilisieren lassen, deren Protest Auswirkungen auf das nationalstaatliche
Gefüge haben, kommt man in westlichen Post-Industriestaaten nicht über einen
Flashmob hinaus. Im schlimmsten Falle gerät eine Facebook-Party außer
Kontrolle. Beide Ereignisse entfalten aber kaum mehr als eine lokale
Wirkung.
Es lässt sich festhalten, dass
das Internet weder in der technologischen noch der gesellschaftsstrukturellen
Entwicklung eine neue Epoche eingeleitet hat. Technologisch und
gesellschaftsstrukturell verstärkt das Internet lediglich Entwicklungen, die
lange vor der Entstehung des Internets begonnen haben. Es wirkt wie eine Art Katalysator. Die Erweiterung der Beobachtungsmöglichkeiten flutet die Gesellschaft mit einem hohen Ausmaß an Kontingenz und erzeugt so ein entsprechend großes, kommunikatives Rauschen, das nur mit Ordnungssystemen bewältigt werden kann, die in der Lage sind eine hohe Trennschärfe in der Informationsverarbeitung sicherzustellen. Es geht, mit anderen Worten, um das Wie der Komplexitätsreduktion. Und es scheint, dass die Gesellschaft mit funktionaler Differenzierung bereits einen Modus gefunden hat, mit dem diese Informationsflut bewältigt werden kann.
Doch liegen in der Entstehung des Internets sowohl Chancen als auch Risiken. Die Erweiterung der Beobachtungsmöglichkeiten kann eine emanzipatorische Wirkung haben eben dadurch, dass es den Zugang zu kontingentem Wissen ermöglicht. Auf der anderen Seite kann Beobachtbarkeit aber auch mehr soziale Kontrolle mit sich bringen. Man kann also seine größten Hoffnungen und seine schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich des Internets gleichermaßen bestätigt sehen. Sofern man eine Hoffnung mit dem Internet verbinden möchte, dann wäre es wohl die, dass durch das Internet die funktional differenzierte Struktur der modernen Gesellschaft deutlicher vor Augen geführt wird. Dazu ist jedoch zunächst ein stärkeres Bewusstsein für Beobachtbarkeit als Funktionsbedingung für Kommunikation und die damit verbundenen positiven und negativen Konsequenzen von Nöten - oder mehr Aufmerksamkeit für Aufmerksamkeit. Wer an Kommunikation teilnehmen will, muss beobachtbar sein und mit Aufmerksamkeit rechnen [5]. Auch das ist nichts Neues, wird aber oft vergessen, weil man glaubt sich aussuchen zu können, wann man im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Durch das Internet wird aber nochmal deutlich vor Augen geführt, dass dem nicht so ist, und man kann lernen mit dieser Tatsache gelassener umzugehen. Jetzt geht es bloß nicht mehr um Wahrnehmung des Wahrgenommen-Werdens sondern um Beobachtung von Beobachtern. In diesem Sinne zwingt das Internet dazu sich mit alten Selbstverständlichkeiten neu vertraut zu machen. Über mögliche Lösungen dieses Problems wird man sich dann auch im Internet informieren können. Die Differenz von öffentlich/privat wird dabei vermutlich eine nachrangige Rolle spielen. Was man gewinnt, wenn man seine Perspektive von Öffentlichkeit auf Beobachtbarkeit umstellt, konnte an dieser Stelle nur angedeutet werden.
Doch liegen in der Entstehung des Internets sowohl Chancen als auch Risiken. Die Erweiterung der Beobachtungsmöglichkeiten kann eine emanzipatorische Wirkung haben eben dadurch, dass es den Zugang zu kontingentem Wissen ermöglicht. Auf der anderen Seite kann Beobachtbarkeit aber auch mehr soziale Kontrolle mit sich bringen. Man kann also seine größten Hoffnungen und seine schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich des Internets gleichermaßen bestätigt sehen. Sofern man eine Hoffnung mit dem Internet verbinden möchte, dann wäre es wohl die, dass durch das Internet die funktional differenzierte Struktur der modernen Gesellschaft deutlicher vor Augen geführt wird. Dazu ist jedoch zunächst ein stärkeres Bewusstsein für Beobachtbarkeit als Funktionsbedingung für Kommunikation und die damit verbundenen positiven und negativen Konsequenzen von Nöten - oder mehr Aufmerksamkeit für Aufmerksamkeit. Wer an Kommunikation teilnehmen will, muss beobachtbar sein und mit Aufmerksamkeit rechnen [5]. Auch das ist nichts Neues, wird aber oft vergessen, weil man glaubt sich aussuchen zu können, wann man im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Durch das Internet wird aber nochmal deutlich vor Augen geführt, dass dem nicht so ist, und man kann lernen mit dieser Tatsache gelassener umzugehen. Jetzt geht es bloß nicht mehr um Wahrnehmung des Wahrgenommen-Werdens sondern um Beobachtung von Beobachtern. In diesem Sinne zwingt das Internet dazu sich mit alten Selbstverständlichkeiten neu vertraut zu machen. Über mögliche Lösungen dieses Problems wird man sich dann auch im Internet informieren können. Die Differenz von öffentlich/privat wird dabei vermutlich eine nachrangige Rolle spielen. Was man gewinnt, wenn man seine Perspektive von Öffentlichkeit auf Beobachtbarkeit umstellt, konnte an dieser Stelle nur angedeutet werden.
[1] Dies ist eine vereinfachte Darstellung. Die einzelnen Beiträge der Anwesenden lassen sich auch unterscheidungslogisch analysieren. An dieser Stelle interessieren jedoch nicht die unterscheidungslogischen Implikationen des Beobachtungsbegriffs, sondern die Funktion der Aufmerksamkeitsffokussierung durch unterscheidendes Bezeichnen. Das leisten auch die einzelnen Beiträge der Anwesenden.
[2] Luhmann unterscheidet
insgesamt drei Ebenen der Systembildung: Interaktion, Organisation und
Gesellschaft. Siehe Luhmann 1975.
[3] Damit sind nicht die Möglichkeiten zur Überwachung à la Big Brother
gemeint, sondern nur die Möglichkeiten zu Kommunizieren.
[4] In einem genauen systemtheoretischen Sinne handelt es sich bei der Fragmentierung der Öffentlichkeit um Differenzierung. Differenzierung bezeichnet den Vorgang der Systembildung in einem System. Öffentlichkeit bezeichnet das, was man in einer systemtheoretischen Terminologie systeminterne Umwelt nennt. Mit der Differenzierung von Systemen differenziert sich zugleich eine systeminterne Umwelt aus. Ausdifferenzierung von Öffentlichkeiten ist somit die Kehrseite der Ausdifferenzierung von Systemen.
[5] Die Bemerkung im vorherigen Beitrag, dass es der Piratenpartei nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit gelingen wird zu sich selbst zu finden, wurde mit Blick auf diesen Umstand formuliert.
Literatur
Goffman, Erving (1974): Das Individuum im öffentlichen Austausch. Mikrostudien zur öffentlichen Ordnung, Frankfurt am Main
Goffman, Erving (2006): Wir alle spielen Theater, München 4. Auflage
Luhmann, Niklas (1975): Interaktion, Organisation, Gesellschaft, in ders.: Soziologische Aufklärung 2. Aufsätze zur Theorie der Gesellschaft, Wiesbaden 5. Auflage, S. 9 – 24
Luhmann, Niklas (1982): Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (1988): Die Wirtschaft der Gesellschaft, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (1990): Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (1993): Das Recht der Gesellschaft, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (1995): Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (2000a): Die Religion der Gesellschaft, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (2000b): Die Politik der Gesellschaft, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (2002): Das Erziehungssystem der Gesellschaft, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (2004): Die Realität der Massenmedien, Wiesbaden 3. Auflage
Spencer Brown, George (1997): Laws Of Form. Gesetze der Form, Lübeck
[5] Die Bemerkung im vorherigen Beitrag, dass es der Piratenpartei nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit gelingen wird zu sich selbst zu finden, wurde mit Blick auf diesen Umstand formuliert.
Literatur
Goffman, Erving (1974): Das Individuum im öffentlichen Austausch. Mikrostudien zur öffentlichen Ordnung, Frankfurt am Main
Goffman, Erving (2006): Wir alle spielen Theater, München 4. Auflage
Luhmann, Niklas (1975): Interaktion, Organisation, Gesellschaft, in ders.: Soziologische Aufklärung 2. Aufsätze zur Theorie der Gesellschaft, Wiesbaden 5. Auflage, S. 9 – 24
Luhmann, Niklas (1982): Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (1988): Die Wirtschaft der Gesellschaft, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (1990): Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (1993): Das Recht der Gesellschaft, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (1995): Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (2000a): Die Religion der Gesellschaft, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (2000b): Die Politik der Gesellschaft, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (2002): Das Erziehungssystem der Gesellschaft, Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (2004): Die Realität der Massenmedien, Wiesbaden 3. Auflage
Spencer Brown, George (1997): Laws Of Form. Gesetze der Form, Lübeck
Danke für den interessanten Beitrag. Vom Lesen flimmern mir jetzt allerdings die Augen. Es wäre wohl besser, die Formatierung zu ändern. Helle Schrift auf dunklem Untergrund mag zunächst originell aussehen und abgrenzend zu anderen Angeboten wirken. Doch es ist nicht im Sinne des Users gedacht.
AntwortenLöschen