Jetzt erleben wir diese neue Phase des alten Kampfes, der
nicht mehr Kampf der heute vom Leben gefüllten Form gegen die alte, leblos
gewordene ist, sondern den Kampf des Lebens gegen die Form
überhaupt, gegen das Prinzip der Form.
Georg Simmel*
Sterben ist nichts Besonderes. Das Knifflige ist das
Leben.
Red Smith
Das Jahr 2015
ist noch längst nicht vorbei, aber bereits jetzt kann man wohl ohne zu
übertreiben sagen, dass dieses Jahr unter den Zeichen von Amok und Terror
steht. Man denke nur an den blutigen Überfall auf die Redaktion der
französischen Satirezeitschrift »Charlie Hebdo« am 7. Januar 2015. Am 24. März
2015 wurde die Germanwings-Maschine 4U9525 durch den Copiloten in voller
Absicht zum Absturz gebracht und kostete weitere 149 Menschen das Leben. Am 17.
Juni 2015 wurden neun Mitglieder einer schwarzen Kirchengemeinde in Charleston
von einem 21jährigen Weißen erschossen. Als Motiv gab er Rassismus an. Am 26.
Juni 2015 ereigneten sich an einem Tag Anschläge in Frankreich, Tunesien und Kuweit mit mutmaßlich islamistischem Hintergrund. Rätsel gibt speziell der
Fall von Saint-Quentin-Fallavier nahe Lyon auf, da die Tat viele Merkmale
islamistischer Anschläge trägt und der Täter sich zunächst auf den Islam
berief, später aber diese Angabe wieder revidierte. Es steht zu befürchten, dass sich zum Jahresende noch weitere Ereignisse dieser Art aufzählen lassen. Betrachtet man darüber
hinaus ähnliche Ereignisse, wie die islamistische
Anschlagsserie in Midi-Pyrénées im Jahr 2012 so scheint es immer
schwieriger zu werden Terroranschläge und Amoktaten voneinander zu
unterscheiden. Die Vorbereitung und die Ausführungsmodi werden ähnlicher und
man kann nicht genau sagen, ob es sich bei Amokläufen um privatistischen Terror
einzelner Personen und bei Selbstmordanschlägen um ideologisch verbrämte
Amokläufe handelt.
Die
Grenzen scheinen zu verschwimmen. Die bekannten Kategorien zur Beobachtung
solcher Phänomene erlauben anscheinend keine eindeutige Bestimmung mehr. Auf
der Grundlage dieses Eindrucks wird nun von einigen Beobachtern die Vermutung
geäußert, dass es keinen Unterschied mehr zwischen Amok und Terror gibt.
Einzeltäter, wie Amokläufer und Terroristen, werden als »Hybride« (Kron/Heinke
2011, S. 284) bezeichnet, um auf das Versagen der bekannten Kategorien
aufmerksam zu machen. Sofern man nicht über die reine Deskription hinausgeht, ist
dieser Eindruck durchaus nachvollziehbar. Bedeutet das aber schon, dass diese
beiden Kategorien ihren Zweck verloren haben? Funktionieren sie wirklich nicht mehr zur Beobachtung der
sozialen Wirklichkeit? Aus einer solchen Schlussfolgerung würden sich zwei Konsequenzen
ergeben. Man kann dann entweder behaupten, es gäbe weder Amok noch Terror oder
es gäbe sowohl Amok als auch Terror. Aber was wäre mit diesen Lösungen gewonnen?
Diese Frage wird
umso dringlicher, wenn nicht ersichtlich ist, welche Kategorien an ihre Stelle
treten sollen. Die Rede von »Hybriden« scheint lediglich eine Verlegenheitslösung
zu sein, die sich mit einem Missstand abgefunden hat. Sie weist
lediglich darauf hin, dass sich bestimmte Unterscheidungen offenbar nicht mehr
dazu eignen, einen Unterschied zu markieren, der einen Unterschied macht. Gelöst
wird dieses Problem durch die Rede von »Hybriden« jedoch nicht. Vielmehr werden
unter diesem Begriff die verschwimmenden Kategorien zusammengezogen ohne dass dadurch das Gemeinsame
im Verschiedenen bezeichnet wird. Das Gemeinsame scheint sich im Verschiedenen
zu erschöpfen. Mit der Rede von »Hybriden« ist keine Abstraktions- bzw.
Generalisierungsleistung verbunden, ein Erkenntnisgewinn nicht ersichtlich. Sie scheint stattdessen erst das herbeizuführen, von dem angenommen wird, das es ein Merkmal der sozialen Wirklichkeit ist.
Daher ist der Eindruck, dass vormals distinkte Kategorien zu verschwimmen scheinen, noch längst kein Hinweis auf
neue Qualitäten der beobachteten Phänomene, sondern lediglich ein Hinweis auf die
Schwachstelle der beobachtenden Theorie, die nicht mehr in der Lage ist die
Komplexität der beobachteten Phänomene angemessen begrifflich zu erfassen.
Vielleicht müssen gar keine neuen Kategorien erfunden, sondern die alten
einfach nur sorgfältiger ausgearbeitet werden? Zu einfach gestrickte Kategorien
werden sehr schnell durch den Gegenstand, den sie bezeichnen sollen, ad
absurdum geführt. Diesem Problem kann man nur Herr werden, wenn man die
Beobachtungsmittel anpasst. Sei es durch Differenzierung der Bezeichnung zu
einer Beschreibung, sei es durch das Oszillieren zwischen zwei Begriffen (vgl.
Luhmann 1992, S. 124), um beide in Abhängigkeit voneinander in einer
konditionierten Koproduktion (vgl. Spencer Brown 1997 [1969], S. IXf.) zu
differenzieren. Letzteres soll im Folgenden versucht werden. Hier wird der
große Vorteil der soziologischen Systemtheorie zum Tragen kommen, nämlich dass man die Phänomene
mit einer komplexen Erwartungshaltung konfrontieren und die interessierenden Phänomene
methodisch kontrolliert de- und rekonstruieren kann.
Die Machtlosigkeit der Politik
Bei Amokläufen
und Selbstmordanschlägen handelt es sich um Gewalttaten. Sobald physische Gewalt im Spiel ist, wird im
Kommunikationsmedium der Politik, nämlich Macht,
operiert. Sowohl Terroranschläge als auch Amokläufe fordern die Exekutive
heraus – egal ob es ein staatliches Gewaltmonopol gibt oder nicht. Die Aufgabe
eines modernen Staates ist es dafür zu sorgen, dass die Bürger ihre Interessen
verfolgen können ohne dabei auf physische Gewalt als Mittel zur Durchsetzung
ihrer Interessen zurück zu greifen. Die wirksamste Prävention gegen
gewalttätiges Verhalten ist normalerweise eine effektive Aufklärung und Strafverfolgung.
Auf diese Weise wird den Bürgern die Botschaft vermittelt, dass das eigene
Handeln nicht ohne Folgen bleibt. Damit werden, entgegen einem weit
verbreiteten Missverständnis, keine Straftaten verhindert. Unter dieser Bedingung
wird zunächst nur das Handeln einer Person als Ergebnis ihrer Entscheidungen
beobachtbar. Selbst bei widrigen Rahmenbedingungen, die eine bestimmte Handlungsoption
für eine Person alternativlos erscheinen lassen, kann auf diese Weise Verantwortung
zugerechnet werden. Denn es lassen sich immer auch Beispiele finden, bei denen die
Betroffenen unter ähnlichen Bedingungen anders gehandelt haben. Ein solcher
Vergleich zeigt, dass man niemals von Alternativlosigkeit sprechen kann. Bei
dieser wahrgenommenen Alternativlosigkeit handelt es zunächst um den subjektiven
Eindruck des Betroffenen. Daraus ergibt sich die sozialpsychologische Fragestellung,
wie konnte im Kontext alternativer Handlungsmöglichkeiten eine bestimmte
Möglichkeit für eine Person als alternativlos erscheinen? Eben weil
unterschiedliche Personen in derselben Situation unterschiedlich Handeln
können, wird eine Handlung als individuelle bzw. persönliche beobachtbar,
selbst wenn die betreffende Person nicht dieselben Handlungsoptionen kannte wie
eine andere. Deswegen gilt im Recht schon lange, Unwissenheit schützt vor
Strafe nicht. Denn derjenige hätte es besser wissen können. Auch wenn hinterher die Tat im Mittelpunkt steht,
entscheidend ist vielmehr, welche Möglichkeiten nicht genutzt wurden. Es geht
also um eine Art der Unterlassung –
egal ob dies bewusst oder unbewusst geschah.
Die beschriebene
Form der Prävention funktioniert über Feedback – genauer, durch das Wissen über
die Möglichkeit negativen Feedbacks. Die vermittelte Botschaft verfängt aber
nur, wenn die Täter nach der Tat noch am Leben sind und befürchten müssen für
ihre Taten zur Verantwortung gezogen zu werden. Dies ist jedoch bei Amokläufen
und islamistischen Selbstmordanschlägen in der Regel nicht der Fall. Die Aussicht
für ihre Taten bestraft zu werden, schreckt die Täter nicht von der Ausführung
ab. Im Gegenteil, der Tod wird nicht als zu vermeidende Option gesehen, sondern
billigend in Kauf genommen. Moderne Staaten stehen solchen Ereignissen daher
machtlos gegenüber. Darin besteht das Problem, mit dem sich die moderne
Gesellschaft durch die Phänomene Amok und Terror konfrontiert sieht. Die
politische Versuchung ist groß diese Machtlosigkeit durch stärkere
Präventionsmaßnahmen zu kompensieren. In der Konsequenz wäre jedoch die einzig
wirksame Präventionsmaßnahme eine totale Überwachung der Bürger. Eine Maßnahme,
die sich allerdings schon technisch nicht umsetzen lässt [1]. Es wäre der unmögliche
Versuch eine unkontrollierbare Zukunft zu kontrollieren. Und selbst wenn dieser
unmögliche Versuch gelingen würde, hätte man keine Zukunft mehr, weil ein
solcher Versuch in jedem Fall darauf hinauslaufen würde, die Unterschiede
zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu eliminieren. Das Ergebnis wäre
die vollständige Determination der Gesellschaft. Sie würde dahingehend
verändert, sich nicht mehr zu verändern. Sie wäre nur noch ein starrer,
monolithischer Block – und die Menschen ebenfalls. Der illusorische Charakter
solcher Vorschläge zeigt die dahinter stehende Hilflosigkeit. Es sieht daher so
aus als wäre die moderne Gesellschaft
solchen Gewalttaten schutzlos ausgeliefert. Das ist eine beunruhigende
Diagnose.
Diese Diagnose ändert sich auch nicht, wenn man bestreitet, dass es einen Unterschied zwischen Amok und Terror gibt. Das Problem bleibt trotzdem dasselbe. Den Unterschied zwischen Amok und Terror zu negieren, steigert allenfalls das Gefühl der Unsicherheit und Hilflosigkeit, denn man verschenkt damit die Erkenntnismittel, die ein sinnhaftes Verstehen und eine ursächliche Erklärung (vgl. Weber 1984 [1921], S. 19) ermöglichen. Beides sind notwendige Voraussetzungen für erfolgreiche Interventionen. So unzureichend die Mittel der Erkenntnis und das damit produzierte Wissen über Phänomene wie Amok und Terror auch sein mögen, die Ablehnung der Erkenntnismittel ohne einen adäquaten Ersatz anbieten zu können, hilft in einer solchen Situation erst recht nicht weiter.
Diese Diagnose ändert sich auch nicht, wenn man bestreitet, dass es einen Unterschied zwischen Amok und Terror gibt. Das Problem bleibt trotzdem dasselbe. Den Unterschied zwischen Amok und Terror zu negieren, steigert allenfalls das Gefühl der Unsicherheit und Hilflosigkeit, denn man verschenkt damit die Erkenntnismittel, die ein sinnhaftes Verstehen und eine ursächliche Erklärung (vgl. Weber 1984 [1921], S. 19) ermöglichen. Beides sind notwendige Voraussetzungen für erfolgreiche Interventionen. So unzureichend die Mittel der Erkenntnis und das damit produzierte Wissen über Phänomene wie Amok und Terror auch sein mögen, die Ablehnung der Erkenntnismittel ohne einen adäquaten Ersatz anbieten zu können, hilft in einer solchen Situation erst recht nicht weiter.
Kaum zu
bestreiten ist, dass beide Phänomene auf ein Problem hinweisen, für das
eigentlich die Politik zuständig wäre, ihr aber jegliche Mittel fehlen, die
Bürger wirksam davor zu schützen oder die Taten nachträglich zu ahnden. Es
scheint als weisen diese Phänomene nicht nur auf die Grenzen der Politik hin,
sondern darüber hinaus auch auf die Grenzen der politischen Theorie. Wenn die
Politik aus dem Spiel ist, handelt es sich um ein gesellschaftliches Problem und möglicherweise gibt es auch kein
Funktionssystem der Gesellschaft, das dieses Problem allein lösen könnte. Das
zugrundeliegende soziale Problem ist so allgemein, dass es praktisch in jeder Situation
eine Rolle spielt. Möglicherweise ist hier eher die Soziologie als die
Politikwissenschaft gefragt. Und so möchte ich im Folgenden den Versuch einer
soziologischen Analyse wagen. Dadurch wird nicht ausgeschlossen, dass
Problemfelder behandelt werden, für die traditionell die Politikwissenschaft
zuständig ist. Nichts desto trotz gehe ich von der Annahme aus, dass das
Problem, auf das Phänomene wie Amok und Terror hinweisen, kein originär
politisches, sondern allgemeiner ein soziales Problem ist. Unter sozialen Problemen verstehe ich alle Probleme, die sich aus dem menschlichen Zusammenleben ergeben.
Man könnte sich
lange darüber streiten, ob das Problem, um das es geht, nun als politisch oder
sozial bezeichnet werden sollte. Mithin sind bereits theoretische Ansätze
verfügbar, die das im Folgenden vorgestellte gesellschaftliche Problem als
politisches behandeln. Das Problem bei diesen Ansätzen ist jedoch, dass sie
aufgrund ihrer getroffenen Vorannahmen immer wieder nur eine einzige Lösung für jedes
soziale Problem anbieten können: den Staat. Der Staat kann jedoch
nicht die Lösung für jedes soziale Problem sein. Wenn allerdings keine andere
Lösung sozialer Probleme mehr denkbar ist, weil sie für politische Probleme
gehalten werden, wären damit die ideologischen Grundlagen für ein totalitäres Politik-
und Staatsverständnis gelegt. Um dieser Gefahr zu entgehen, wird gewalttätiges
Verhalten hier zunächst nicht als politisches, sondern allgemeiner als soziales
bzw. gesellschaftliches Problem behandelt. Durch diesen Ansatz soll deutlich
werden, dass die Kompetenz zur Lösung von zwischenmenschlichen Konflikten nicht
ausschließlich beim Staat liegt. Vielmehr hat die moderne Gesellschaft bereits
eine Menge Möglichkeiten zur Lösung von zwischenmenschlichen Konflikten
entwickelt. Mit einem engen Verständnis von sozialen Problemen als politische
Probleme kommen diese Lösungen jedoch nicht in den Blick. Bei dem Glauben, dass alles politisch sei,
handelt es sich daher um etwas, was man mit Niklas Luhmann als Erkenntnishindernis bezeichnen kann
(vgl. Luhmann 2009 [2005], S. 32f.).
Mit Hilfe der
soziologischen Systemtheorie Luhmanns lässt sich das soziale Problem dagegen
folgendermaßen beschreiben: es handelt sich um die kommunikative Anschlussfähigkeit einer jeden Person – was in
der Soziologie in der Regel unter den Stichworten »Inklusion« und »Exklusion«
behandelt wird [2]. Wenn eine Person in einer bestimmten Situation nicht als relevant betrachtet wird – was sich
daran zeigt, dass ihr keine Möglichkeit gegeben wird, sich zu beteiligen –, kann
das unter Umständen von der ausgeschlossenen Person als vollständige Ablehnung
verstanden werden. Obwohl Exklusionen in Bezug auf Personen eigentlich die
Regel und Inklusionen die Ausnahme sind – in einem Moment kann man immer nur in
einer Situation inkludiert sein und ist zugleich aus allen anderen exkludiert –,
kann das Ausgeschlossen-Sein auf Dauer frustrieren, wenn es überhaupt nicht
gelingt Anschluss zu finden. Dauerhafte Nicht-Beachtung kann dazu führen, dass
sich Menschen nutzlos, unerwünscht und minderwertig fühlen. Dabei strebt jeder danach
als Person nicht als nutzlos, unerwünscht und minderwertig zu erscheinen, um
sich auch nicht so fühlen zu müssen. Mit anderen Worten, jeder Mensch strebt danach mit Personen zu interagieren, die einen
genauso sehen, wie man selbst. Die Frage ist, was passiert, wenn man keine
Personen findet, die einen genauso sehen, wie man selbst? Meine These lautet, Amokläufe und Terroranschläge sind zwei
verschiedene Möglichkeiten auf diese als total empfundene Ablehnung zu
reagieren und zu versuchen die wahrgenommene Inferiorität zu kompensieren. Wenn sich
eine Person ausgeschlossen fühlt, dann kann physische Gewalt für sie als eine attraktive
Möglichkeit erscheinen ihr Ausgeschlossen-Sein zu kompensieren.
Ohne die Unterscheidung
von Amok und Terror würde man sich die Möglichkeit nehmen, zu beobachten, warum
für Amokläufer und Terroristen Gewalt als einzige Möglichkeit in Frage kommt, um
sich gegen das als ablehnend wahrgenommene soziale Umfeld zu wehren. Beide
greifen zum Mittel der Gewalt. Aber für beide erscheint die Gewalt aus
unterschiedlichen Gründen notwendig zu sein. Beide Tätergruppen rechtfertigen die Gewalt gegenüber sich selbst und
anderen auf unterschiedliche Weise. Diese Rechtfertigungen lassen sich nur
anhand der Vorgeschichte der Täter verstehen. Es reicht also nicht aus, sich
lediglich auf die schrecklichen Ereignisse zu konzentrieren, durch die man
überhaupt auf die Täter aufmerksam wird. Dementsprechend lassen sich auch die
Begriffe »Amok« und »Terror« nur sinnvoll rekonstruieren, wenn man die
Vorgeschichte der Täter berücksichtigt,
die beide Tätergruppen dazu bringen zu solch radikalen Mitteln zu greifen. Es
soll jedoch im Folgenden nicht darum gehen persönliche Interaktionsgeschichten
zu rekapitulieren. Ich möchte mich darauf konzentrieren eine Theorie über das
allgemeine Muster solcher Entwicklungen vorzustellen. Da das Problem, für das
Amok und Terror hier als Lösungen betrachtet werde, ein gesellschaftliches ist,
erlaubt dies eine gesellschaftstheoretische Einordnung dieser Phänomene. Vor
diesen Hintergrund lässt sich zeigen, dass einem modernen Staat kaum
Möglichkeiten zur Intervention gegeben sind und dass daher jeder einzelne bei der Prävention solcher Taten gefordert ist.
Die Anschlussfähigkeit der Person als gesamtgesellschaftliches
Problem
Das soziale
Problem für das Amok und Terror hier als Lösungen begriffen werden, wurde
bereits vorgestellt. Es ist die kommunikative Anschlussfähigkeit der Menschen
als Personen. Ich möchte nun noch etwas näher auf die sozialstrukturellen Aspekte
dieses Problems eingehen und den Unterschied zwischen modernen und vormodernen
Inklusionsmodi herausarbeiten. Der Unterschied zwischen diesen beiden
Inklusionsmodi wird die theoretische Grundlage zur Darstellung der
Anschlussprobleme liefern, mit denen Amokläufern und Terroristen vor ihren Taten
konfrontiert waren.
Mit Hilfe der
soziologischen Systemtheorie lässt sich die moderne Gesellschaft als funktional differenziert beschreiben
(vgl. Luhmann 1997, S. 743ff.). Mit dem Begriff »Gesellschaft« ist die Gesamtheit der stattfindenden Kommunikation
gemeint (vgl. Luhmann 1997, S. 78ff.). Die Gesellschaft als Ganze ist in sich
selbst in verschiedene Funktionssysteme differenziert. Zu diesen
Funktionssystemen zählen Politik, Wirtschaft, Recht, Kunst, Wissenschaft,
Religion, Erziehung, Liebe und soziale Hilfe. Jedes dieser Funktionssysteme hat
sich auf die Lösung eines bestimmten sozialen Problems spezialisiert. Jedes
dieser sozialen Probleme stellt den Katalysator zur Ausdifferenzierung eines
Funktionssystems dar [3]. Abweichend von radikal konstruktivistischen
Ansätzen gehe ich davon aus, dass es diese sozialen Probleme wirklich gibt.
Andernfalls würde man die Existenz anderer Menschen bestreiten. Man kann die
sozialen Probleme unterschiedlich beschreiben bzw. konstruieren. Aber die Beschreibung
eines Problems wird den Erfolg der Lösung beeinflussen. Am Erfolg oder
Misserfolg der jeweiligen Lösungen, die in Abhängigkeit von der
Problemkonstruktion entwickelt wurden, zeigt sich die Wirklichkeit des zu lösenden
Problems unabhängig von seiner Beschreibung. Die jeweilige Beschreibung wird
entweder zur erfolgreichen Lösung beitragen oder das Problem bleibt bestehen und verschärft sich gegebenenfalls. Für zwischenmenschliche Beziehungen bedeutet das, Konflikte werden
entweder gelöst, schwelen vor sich hin oder eskalieren weiter. Die jeweilige
Beschreibung kann zu einer realistischen, aber auch zu einer illusionären
Wahrnehmung des Problems führen, was dann wiederum ein realistisches oder ein
illusionäres Handeln erlaubt, das wiederum die entsprechende Wahrnehmung
bestätigt und verstärkt (vgl. Laing, 1976 [1960], S. 68ff.).
Für die weitere
Gedankenführung ist noch ein weiterer Aspekt relevant. Jedes der gesellschaftlichen Funktionssysteme regelt nach
selbstentwickelten Kriterien, den Konditionalprogrammierungen, ob und wie die
beteiligten Personen für die Kommunikationsprozesse relevant werden. Keines
der verschiedenen sozialen Probleme besitzt einen Vorrang vor dem anderen.
Jeder Mensch kann potentiell mit jedem dieser sozialen Probleme konfrontiert
werden und dann unter gewissen Konditionen die Lösungen des jeweiligen
Funktionssystems in Anspruch nehmen. Die sozialen Probleme lassen sich aufgrund
ihrer Gleichwertigkeit nicht mehr in eine hierarchische Rangordnung bringen. Daher
ist die Lösung keines dieser Probleme wichtiger oder dringlicher als die
anderen. Dies gilt in der Konsequenz auch für die Funktionssysteme der
Gesellschaft. Aufgrund dieser formalen Gleichheit wird die moderne
Gesellschaftsstruktur als eine Heterarchie
bezeichnet. Es gibt kein oberstes Prinzip mehr, dass die Ordnung der
Gesellschaft garantiert. Die jeweils geltenden Regeln können von Situation zu
Situation andere sein, je nachdem mit welchem sozialen Problem die beteiligten Personen konfrontiert sind. Die
Konditionalprogrammierungen legen fest, welche mitgeteilten Informationen in
einer Situation für das Erleben und Handeln der Beteiligten relevant sind und
welche nicht. Die Aufmerksamkeit der Beteiligten richtet sich auf die relevanten
Informationen, denn an ihnen lassen sich weitere Anschlussmöglichkeiten
erkennen. Daher kann man auch sagen, die
Lösungen der Funktionssysteme bestehen darin zu regeln in welcher Form jemand
Aufmerksamkeit in einer bestimmten Situation erlangen kann. Dafür gibt es die
Rollen der Leistungserbringer und der Leistungsempfänger. Beide Rollen
ermöglichen den Menschen sich unter funktionsspezifischen Kriterien an
verschiedenen Situationen zu beteiligen. Selbst in funktional unspezifizierten
Situationen gibt es eine Rollenverteilung, wenn auch zunächst keine explizite. Wenn
eine Person situativ inkludiert wird, dann ist sie zugleich aus allen anderen
Situation exkludiert. Und wenn Exklusionen die Regel und Inklusionen die
Ausnahme sind, dann bedeutet das weiter, dass die Anschlussfähigkeit jeder Person ständig bedroht ist. Der
weitere Anschluss ist ungewiss. Jede momentane Inklusion muss daher dazu
genutzt werden persönliche Attraktivität für weitere, zukünftige Inklusionen
bzw. Anschlüsse sicher zu stellen.
Der wesentliche
Unterschied zu früheren Differenzierungsformen der Gesellschaft besteht darin,
dass sich Inklusionen heute stärker nach Kriterien vollziehen, die auf die Form der Beteiligung einer Person
abstellen. Es geht also darum, wie gut eine Rolle ausgefüllt wird, die man in
einer Situation annimmt. Vor dem Übergang zur Moderne wurde die Inklusion
stärker über zugeschriebene Merkmale wie biologische, geographische oder
standesmäßige Herkunft geregelt. Die Soziologie hat dafür die Kategorien von
zugeschriebenen und leistungsbezogenen Merkmalen entwickelt, um auf diesen
Unterschied aufmerksam zu machen. Sie treffen allerdings nicht ganz den Aspekt,
den ich für entscheidend halte. Biologische oder geographische Herkunft sind
Merkmale, die sich nicht verändern lassen.
Man kann seine Herkunft verleugnen, man kann sie aber nicht ändern. Das
Verhalten einer Person kann sich dagegen ändern. Ich halte daher das Kriterium
der Veränderbarkeit für den entscheidenden
Unterschied im Vergleich von modernen und vormodernen Gesellschaften. Wurde
eine Person früher überwiegend durch unveränderliche
Merkmale inkludiert, spielen heute vorwiegend veränderliche Merkmale eine Rolle.
Wie sich jemand
an der Kommunikation beteiligt, lässt sich nur anhand seines Verhaltens
beobachten. Unveränderliche Merkmale, wie biologische und geographische
Herkunft oder auch der religiöse Glaube, sind daher ungeeignet für die
Beobachtung menschlichen Verhaltens, denn sie berücksichtigen nicht die Form
der Beteiligung. Dafür dass man Deutscher oder Muslim ist, kann man sich nichts
kaufen. Auch für die Beurteilung, ob jemand in der Lage ist als Bauarbeiter,
Bäcker, Angestellter, Wissenschaftler oder Arzt zu arbeiten, spielen solche
Attribute keine Rolle. Für die Ausübung eines Berufs ist es egal, welche
biologische oder geographische Herkunft man hat. Ebenso wenig wird man für
seine Nationalität oder seinen Glauben geliebt. Man wird als Person geliebt. Die
Indifferenz gegenüber solchen unveränderlichen Merkmalen gilt letztlich für
jede Kommunikation. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, dass
unveränderliche Merkmale in der Moderne überhaupt keine Rolle mehr für die
persönliche Selbstdarstellung spielen. Das tun sie weiterhin. Sie treten aber
im Verhältnis zu den veränderbaren Merkmalen, die anhand der persönlichen
Beteiligung sichtbar werden, in den Hintergrund. Sie werden eher zu einem
persönlichen Accessoire. In dieser Form sind
unveränderliche Merkmale auch heute noch für die Selbstdarstellung akzeptiert.
Gleichwohl geraten alle Versuche, Unveränderlichkeiten zu behaupten, die ein
Anrecht auf bestimmte Leistungen der modernen Gesellschaft begründen sollen,
unter Rechtfertigungs- bzw. Legitimationsdruck. Für die Inklusion unter
modernen Bedingungen haben unveränderliche Merkmale wie
geographische, biologische oder standesmäßige Herkunft ihre Legitimität
verloren.
Wenn jemand
aufgrund seiner Religion z. B. fünfmal am Tag beten muss und deswegen
gravierende Probleme hat eine Arbeit zu finden, um seinen Lebensunterhalt zu
bestreiten, weil dies mit den Arbeitszeiten einer normalen Vollzeitarbeit nicht
vereinbar ist, so ist dies kein Problem, dass man der Gesellschaft anlasten
kann. Es liegt allein an der persönlichen Entscheidung für einen bestimmten Lebensstil. Immerhin könnte die
betroffene Person einsehen, dass die Religion selbst oder zumindest die
Vorschrift fünfmal am Tag zu beten zu einem gravierenden Hindernis wird, wenn
es darum geht seinen Lebensunterhalt in einer Gesellschaft zu bestreiten, die
es ihren Bürgern überlässt ihre Bedürfnisse eigenständig zu befriedigen, indem
sie durch Erwerbsarbeit das nötige Geld dafür verdienen. Zwar können der
Lebensstil und die Anforderung diesen Lebensstil finanziell zu unterhalten, wie
in diesem Fall, miteinander kollidieren. Es gibt heute jedoch auch unzählige
Möglichkeiten solche Probleme zu lösen und ein passendes Arrangement zu finden.
So könnten gläubige Moslems dieses Problem lösen, indem sie von einer strengen Auslegung
der Religion abrücken würden, um in den Genuss der Vorteile der modernen
Gesellschaft zu kommen, oder sich eine Arbeitsstelle suchen, bei der die
Arbeitszeiten nicht mit den religiösen Gewohnheiten in Konflikt geraten.
Moderne Inklusionsmodi und ein persönlicher Lebensstil können miteinander in Konflikt geraten und die Inklusion behindern. Es handelt sich jedoch nicht um einen unlösbaren Konflikt, der die Teilnahme an moderner Kommunikation völlig ausschließt. Wenn man allerdings unter modernen Kommunikationsbedingungen weiterhin an der Erwartung festhält, dass man aufgrund bestimmter unveränderlicher Merkmale, wie der Glaube oder die biologische Abstammung, Anrechte auf bestimmte Leistungen der Funktionssysteme hat, kann man sehr leicht enttäuscht werden. Aus dieser Enttäuschung speisen sich die Ressentiments von rechten, linken und religiösen Protestbewegungen, die sich gegen die Moderne richten. Aufgrund bestimmter sich selbst zugeschriebener unveränderlicher Merkmale, wie z. B. Deutscher, Arbeiter oder Muslim, werden die Beteiligungsmöglichkeiten an moderner Kommunikation beschränkt, was meistens zu gravierenden materiellen und kognitiven Nachteilen führt. Für diese Nachteile machen die Betroffenen dann die moderne Gesellschaft verantwortlich. Genauso wie die Betroffenen sich von der Gesellschaft abgelehnt fühlen, so lehnen sie dann die Gesellschaft ab, die aus ihrer Perspektive für ihren Misserfolg und ihr Unglück verantwortlich ist.
Moderne Inklusionsmodi und ein persönlicher Lebensstil können miteinander in Konflikt geraten und die Inklusion behindern. Es handelt sich jedoch nicht um einen unlösbaren Konflikt, der die Teilnahme an moderner Kommunikation völlig ausschließt. Wenn man allerdings unter modernen Kommunikationsbedingungen weiterhin an der Erwartung festhält, dass man aufgrund bestimmter unveränderlicher Merkmale, wie der Glaube oder die biologische Abstammung, Anrechte auf bestimmte Leistungen der Funktionssysteme hat, kann man sehr leicht enttäuscht werden. Aus dieser Enttäuschung speisen sich die Ressentiments von rechten, linken und religiösen Protestbewegungen, die sich gegen die Moderne richten. Aufgrund bestimmter sich selbst zugeschriebener unveränderlicher Merkmale, wie z. B. Deutscher, Arbeiter oder Muslim, werden die Beteiligungsmöglichkeiten an moderner Kommunikation beschränkt, was meistens zu gravierenden materiellen und kognitiven Nachteilen führt. Für diese Nachteile machen die Betroffenen dann die moderne Gesellschaft verantwortlich. Genauso wie die Betroffenen sich von der Gesellschaft abgelehnt fühlen, so lehnen sie dann die Gesellschaft ab, die aus ihrer Perspektive für ihren Misserfolg und ihr Unglück verantwortlich ist.
Entsprechend suchen
die Betroffenen ihr Heil in alternativen Gesellschaftsentwürfen, welche die
eigenen unveränderlichen Merkmale und den damit verbundenen Lebensstil
bestätigen. Auffällig an diesen alternativen Gesellschaftsentwürfen ist, dass
sie im Vergleich zu der heterarchen Struktur der modernen Gesellschaft stark
hierarchisch strukturiert sind. Das unveränderliche Merkmal nimmt darin eine
dominierende Funktion an der Spitze der Hierarchie ein, um die sozialen
Beziehungen der Mitglieder zu organisieren und zu regeln. Die Beziehungen der
Menschen zueinander sind als Über- und Unterordnungsverhältnisse gestaltet. Mit
anderen Worten, es wird eine vormoderne
Gesellschaftsform präferiert, die zumeist eine stratifikatorische Differenzierung (vgl. Luhmann 1997, S. 613)
aufweist. Egal welche Protestbewegung man betrachtet, die sich auf ein unveränderliches
Merkmal beruft, es handelt sich immer um einen Protest gegen die Inklusionsmodi der Moderne. Je nach Menschenbild
kann das Mensch-Sein sogar selbst zu einem unveränderlichen Merkmal werden. Die
nationalen und internationalen Konflikte werden aus dieser ständig bestehenden
Exklusionsgefahr gespeist. Man könnte auch sagen, die Weltgesellschaft trägt einen inneren Konflikt zwischen Moderne und
Vormoderne bzw. zwischen heterarchen und hierarchischen Gesellschaftsentwürfen
aus. Es handelt sich dabei um einen Streit um die richtige Lösung für das
Exklusionsproblem, wobei die Beteiligten jeweils die nicht-präferierte Lösung
als Subversionsversuch der präferierten Lösung betrachten.
Aufgrund dieser Beobachtung
gehe ich nicht davon aus, dass die moderne funktional differenzierte
Gesellschaft gegenwärtig bereits voll realisiert ist. Vielmehr befindet sich
die Evolution der Gesellschaft immer noch im Übergang von der Vormoderne zur Moderne. Ich habe sogar meine
Zweifel, ob dieser Übergang im Hinblick auf die Weltgesellschaft jemals vollständig
vollzogen werden wird, denn es wird vermutlich immer Exklusion und damit
exkludierte Personen geben oder auch nur solche, die sich ausgeschlossen
fühlen. Im Anbetracht der Geschichte der letzten 200 Jahre scheint es eine Korrelation zwischen dem Exklusionsgrad
einer Person und der Präferenz für hierarchische Gesellschaftsentwürfe zu
geben. Dies legt die Vermutung nahe, dass, solange sich Personen auch nur
exkludiert fühlen und für sich keine Beteiligungsmöglichkeiten mehr nach den
Regeln der Funktionssysteme für sich sehen, solange wird es auch die Hoffnung
auf ein besseres Schicksal in einer hierarchisch strukturierten Gesellschaftsform,
welche ein unveränderliches Merkmal zur Basis der Gemeinschaftsbildung erhebt,
geben.
Aus diesen
Überlegungen leite ich die These ab, dass sich
der Terrorismus rechter, linker und islamistischer Prägung im Rahmen dieses
Konflikts zwischen Vormoderne und Moderne verstehen lässt. Vormoderne
Lebensentwürfe, die sich auf unveränderliche Merkmale gründen, sehen sich unter
modernen Kommunikationsbedingungen gravierenden Anschlussproblemen ausgesetzt
und entsprechend aggressiv reagieren die Betroffenen auf die
Ausschlusstendenzen. Bei den Attentätern, die sich auf eine islamistische
Ideologie berufen, fällt auf, dass sie nicht von Anfang an streng gläubige
Muslime waren, sondern sie durchlaufen einen Radikalisierungsprozess,
in dessen Verlauf sie erst eine politische Semantik kennenlernen, mit deren
Hilfe sie ihre persönlichen
Anschlussprobleme zu einem Kollektivschicksal umdeuten können. Die Schuld
wird dann bei den Menschen gesucht, die sie der westlichen, modernen
Gesellschaft zurechnen. Die gehegte Erwartung lautet, die müssen sich ändern, man selbst nicht. Und wenn die
sich nicht ändern, dann muss man sie mit Gewalt dazu zwingen oder vernichten.
Die Ironie dabei ist – und das trifft wieder auf alle Bewegungen zu, die sich
über unveränderliche Merkmale definieren –, dass die moderne Gesellschaft und die Menschen dahingehend verändert werden
sollen, sich nicht mehr zu verändern. Da der moderne Gegner so übermächtig
erscheint, muss man ihm zeigen, dass man bereit ist für die eigene Unveränderlichkeit
zu sterben. Obwohl jeder einzelne Selbstmordattentäter nicht mehr in der Lage
sein wird, die Vorteile eines Sieges auszukosten, geht man zumindest als
Märtyrer in die Geschichte ein. Man ist also nicht umsonst gestorben. Die
Ideologie liefert die Rechtfertigung dafür im eigenen Tod einen Sinn zu sehen.
Für die Täter stellt ihr Selbstmord eine Kriegshandlung dar. Sie opfern sich,
damit zumindest andere Angehörige der Gemeinschaft ungehindert nach ihren
Vorstellungen leben können. Zum Terror werden solche Selbstmordanschläge durch
ihre Willkürlichkeit und Rücksichtlosigkeit gegenüber möglichen Opfern. Es kann
jeden treffen. Auf diese Weise wird versucht die bedrohte Gesellschaft zu einer
kollektiv bindenden Entscheidung zu motivieren. Terrorismus stellt daher einen
Versuch dar, mit physischer Gewalt die Konditionalprogrammierungen der modernen
Funktionssysteme zu suspendieren, um so die Inklusion ganzer Gruppen zu
erreichen. Deswegen muss das ideologisch gerechtfertigte Selbstmordattentat
unabhängig von der persönlichen Geschichte des Täters als politische Mitteilung
verstanden werden, auf die auch die Politik reagieren muss.
In diesem Punkt
sehe ich den wichtigsten Unterschied zwischen Selbstmordattentätern und
Amokläufern. Amokläufer beziehen sich nicht auf eine politische Ideologie. Ihre
Motivation für den Amoklauf ziehen sie allein aus ihrer persönlichen Geschichte
erfolgloser Beteiligungsversuche. An
anderer Stelle habe ich ausführlich den Entfremdungsprozess beschrieben,
der durch die erfolglosen Beteiligungsversuche und der dadurch angestoßenen
Exklusionsdynamik verstärkt wird. Ich gehe davon aus, dass die psychologischen
Prozesse, die Amokläufer und Selbstmordattentäter bis zu der eigentlichen Tat
durchlaufen, ähnlich sind. Während jedoch Amokläufer am Ende dieses Prozesses
weitestgehend isoliert sind, finden Personen, die durch eine politische
Ideologie oder Religion aufgefangen werden, wieder Anschlussmöglichkeiten.
Amokläufer rebellieren mit ihrer Tat nicht gegen die Gesellschaft, sondern nur
gegen das soziale Umfeld, das ihnen aus ihrer Sicht keine Chance gibt. Die
negativen Erfahrungen haben ihre Ablehnung soweit verstärkt, dass sie nicht
mehr in der Lage sind alternative Beteiligungsmöglichkeiten für sich zu finden.
Als einzige Alternative bleibt die radikale Negation der sozialen Umwelt. Und mit
der Aussicht auf ein sinnloses Leben, das keine sinnvollen Tätigkeiten und
damit auch keine Chancen positiv aufzufallen bereithält, macht der eigene Tod
plötzlich einen Sinn. Zugleich setzen sie sich mit der Tat ein Denkmal und
erreichen auf diese Weise, dass sie im Tod mehr Beachtung erhalten als es ihnen
zu Lebzeiten jemals vergönnt war. Sie können sicher sein, dass man sich nun an
sie erinnern wird. Deswegen kann der Amoklauf trotz der Gewalt nicht als eine
politische Mitteilung verstanden werden. Ebenso wenig versuchen Amokläufer die
Beteiligungsregeln der gesellschaftlichen Funktionssysteme zu unterlaufen.
Indem sie sich am Schluss zumeist selbst richten, bestätigen sie nochmals die
Beteiligungsregeln ihres sozialen Umfeldes. Mit ihrem Selbstmord kapitulieren
sie lediglich vor ihnen, weil sie ihnen nicht genügen können. Der Amoklauf ist
deswegen auch kein Versuch für eine andere Gesellschaft zu kämpfen. Es ist der
letzte Versuch des Täters sein Gesicht zu wahren, das er zumindest aus seiner
Sicht bereits verloren hat.
Festzuhalten
bleibt zunächst Folgendes. Nicht die Anschlussfähigkeit von Personen an sich
ist das Problem, sondern wie diese
Anschlussfähigkeit einer Person hergestellt wird. Dafür spielt die
Selbstdarstellung und die dadurch beobachtbaren veränderlichen und
unveränderlichen Merkmale eine entscheidende Rolle. Unter Veränderbarkeit verstehe
ich Lern- und Entwicklungsfähigkeit.
Gerade das kompromisslose Bestehen auf unveränderlichen Merkmalen kann zu einer
Lern- und Entwicklungsblockade führen, wenn es nicht sogar zu einer regressiven
Entwicklung – zunächst psychisch, aber möglicherweise auch sozial – kommt. In
der modernen Gesellschaft stören solche vormodernen Selbstdarstellungsformen
massiv die zwischenmenschlichen Beziehungen. Boten unveränderliche Merkmale in
vormodernen Gesellschaften noch ein hohes Maß an sozialer Sicherheit, kann
inzwischen das Konflikt- und damit auch das Unsicherheitspotential solcher Merkmale
kaum noch ignoriert werden. Gerade dies hat im Übergang zur Moderne zu einem
veränderten Menschenbild geführt, dass den Menschen durch seine Möglichkeiten,
also das, was er tun kann, begreift und nicht durch das, was er ist. Der
Möglichkeitsraum wird durch die bereits realisierten Möglichkeiten aller
Menschen gebildet und begrenzt. Was jedoch nicht heißt, dass jeder Mensch in der Lage wäre alle diese Möglichkeiten zu realisieren. Gleichwohl können die Grenzen des Möglichen, wie die Geschichte schon oft genug gezeigt hat, verschoben werden.
Veränderbarkeit selbst, und zwar aus sich selbst heraus, wird das einzige
unveränderliche Merkmal der Menschen. Jeder darüber hinausgehende Anspruch auf
unveränderliche Merkmale muss sich daran messen lassen. Und in dieser Hinsicht
sind unveränderliche Merkmale, wie geographische oder biologische Herkunft, ein
religiöser Glaube oder moralische Überzeugungen, durch ihr Konfliktpotential in der Moderne zu
einem sozialen Problem geworden. Sie erlauben den Personen, die an die
Gültigkeit solcher Attribute glauben, keine realistische Deutung des menschlichen Verhaltens - weder ihres eigenem noch das von anderen Personen. Sie erlauben nur eine klischeehafte Wahrnehmung und ein klischeehaftes Verhalten. Mit anderen Worten, wenn diese Attribute das Erleben und Handeln
der Menschen orientieren, bringen sie Personen sozial zum Verschwinden oder
lassen sie gar nicht erst sichtbar werden. Daraus ergibt sich der massive Rechtfertigungsbedarf
für das Beharren auf unveränderlichen Merkmalen. Das bedeutet also nicht, dass jeder Rechtfertigungsversuch zum Scheitern verurteilt ist. Was sich verändert hat, sind die Erfolgschancen für Rechtfertigungsversuche, die sich auf die besagten unveränderlichen Merkmale beziehen.
Um der stärkeren
Personalisierung der Menschen durch
funktionale Differenzierung, üblicherweise als Individualisierungsprozess
bezeichnet, Rechnung zu tragen, wurde versucht Subjektivität, also das psychische
Erleben selbst, als neues unverfügbares und unveränderliches Merkmal einzuführen.
Dabei handelte es sich aber lediglich um den Versuch, die Einzigartigkeit einer
Person als unveränderlich festzuschreiben, ohne jedoch zu klären, wie sich
diese Einzigartigkeit bestimmen lässt. Subjektivität lässt sich nicht direkt
beobachten, sondern nur vermittelt über das Verhalten einer Person. Die Einzigartigkeit
einer Person lässt sich daher nur beobachten, wenn Handeln und mitgeteiltes
Erleben einer Person zueinander in Beziehung gesetzt werden. Ohne Bezug zum
Verhalten bleibt Einzigartigkeit eine leere Behauptung, eine Illusion.
Gleichwohl wird erwartet diese Einzigartigkeit als unantastbar, und damit
zugleich unkritisierbar, anzuerkennen. Bekommt eine solche Erwartung einen
normativen Charakter, kann dies die Lernfähigkeit der Personen, die an die
Geltung dieser Erwartung glauben, beträchtlich einschränken. Wenn die
Notwendigkeit und Zwangsläufigkeit des eigenen, subjektiven Erlebens als Rechtfertigung akzeptiert wird, sich nicht ändern zu müssen, dann
wären wiederum alle Menschen in ihrer Lernunfähigkeit gleich und nicht
einzigartig. Doch gerade das Beharren auf der eigenen Unveränderlichkeit führt
in einer sich beständig verändernden Gesellschaft in die Defensive. Diejenigen,
die sich ins soziale Aus gedrängt sehen und weiterhin auf einem
unveränderlichen und für das eigene Selbstverständnis existentiell wichtigen
Merkmal beharren, können darauf häufig nur noch mit Gewalt reagieren, weil das
unveränderliche Merkmal die meisten sozialen Anschlüsse ausschließt.
Gewalt als Kommunikationsmittel
Ich komme nun
noch einmal auf den Gedanken zurück, dass die Gewalt von Selbstmordattentätern,
wie auch jeglicher anderer Terror, als politische Mitteilung zu verstehen ist,
während die Gewalt von Amokläufern nicht als politische Mitteilung verstanden
werden kann. Nur im Fall von Selbstmordanschlägen ist ein Staat der
unmittelbare Adressat der Mitteilung und gerät unter Zugzwang. Bei Amokläufern
bleibt unklar, an wen sich ihre Botschaft überhaupt richtet. Damit bleibt auch
unklar, wie sie überhaupt zu verstehen ist bzw. wie man sich in Bezug auf diese
Mitteilung verhalten kann. Dies wird nachvollziehbarer, wenn man die Anwendung
von physischer Gewalt als Mittel der Kommunikation betrachtet.
Luhmann
beschreibt physische Gewalt als eine Vermeidungsalternative
(vgl. 2003 [1975], S. 60ff.). Üblicherweise geht man davon aus, dass jeder es
vermeiden möchte, dass Opfer von Gewalt zu werden und im schlimmsten Fall durch
Gewalt zu sterben. Nur unter dieser Prämisse kann die glaubwürdige Drohung mit
Gewalt jemanden dazu bringen, etwas zu tun, was er ohne diese Drohung nicht tun
würde. Aus der Perspektive des Adressaten bestehen die Alternativen darin, dass
man entweder Opfer von Gewalt wird oder etwas gegen seinen Willen tut und damit
zugleich die Anwendung von Gewalt vermeidet. Voraussetzung für eine solche
Situation ist, dass sich die Person, die gegen ihren Willen etwas tun soll,
sich dem Einfluss der drohenden Person nicht entziehen kann. Die Drohung ist
nur dann glaubwürdig, wenn die bedrohte Person annehmen muss, dass sie bei
Nichtbefolgung der Anweisung in jedem Fall mit der Anwendung von Gewalt rechnen
muss. Aber nur wenn die drohende Person keine Gewalt einsetzen musste, um die bedrohte
Person zur Ausführung ihrer Anweisung zu motivieren, nur dann hatte die
drohende Person Macht über die bedrohte Person.
Sollte es jedoch
widererwartend dazu kommen, dass die drohende Person tatsächlich Gewalt
einsetzen muss, dann war die Drohung nicht glaubwürdig und ihre Machtposition
wurde aufgehoben (vgl. Luhmann 2003 [1975], S. 9). Somit ist die tatsächliche Anwendung von Gewalt kein Zeichen von
Macht, sondern von Machtlosigkeit.
Die Macht einer Gewalt- oder Todesdrohung besteht nur solange sie eine
Möglichkeit bleibt. Wenn sie tatsächlich zur Anwendung kommt, wird die
gewünschte Anweisung von der bedrohten Person nicht ausgeführt – speziell wenn
sie tot ist [4]. Die drohende Person konnte sich dann also nicht durchsetzen.
Das Ziel der Drohung wurde verfehlt. Versteht man die Anwendung von physischer
Gewalt in diesem Sinne teilen sowohl Selbstmordattentäter als auch Amokläufer
durch ihre Taten ihre Machtlosigkeit bzw. Ohnmacht mit. Sie sind beide nicht in
der Lage andere Personen dazu zu motivieren freiwillig etwas für sie zu tun.
Und für eine glaubwürdige Drohung fehlen ihnen die Mittel oder die bedrohten
Personen können sich ihrem Aktionsbereich entziehen.
Das Angebot
einer Vermeidungsalternative kommt üblicherweise erst dann zum Einsatz, wenn
die adressierte Person eine von der mitteilenden Person gewünschte Handlung
nicht freiwillig ausführt. Und selbst wenn Vermeidungsalternativen zur
Anwendung kommen, muss es sich dabei noch längst nicht um einen Fall handeln,
bei dem die Politik intervenieren müsste. Je nach dem, was eine Person in Bezug
auf sich selbst gern vermeiden möchte, können von Person zu Person sehr
unterschiedliche Handlungen zu Vermeidungsalternativen werden. Auch
der Sexentzug in einer partnerschaftlichen Beziehung kann eine Form der
Einflussnahme sein. Niemand möchte ernsthaft behaupten, dass sich bei solchen
Konflikten die Politik einmischen sollte. D. h. weder der Einsatz von Vermeidungsalternativen noch Unfreiwilligkeit sind Kriterien, welche die politische Relevanz
eines Kommunikationsereignisses begründen könnte. Das Problem von
Selbstmordattentätern und Amokläufern besteht darin, dass sie nicht in der Lage
sind andere Personen ohne Gewalt dazu zu motivieren an ihre Mitteilungen
anzuschließen. Ihre Erwartung besteht darin, dass ihr unveränderliches Merkmal
attraktiv genug ist, um weitere Anschüsse zu motivieren. Diese Erwartung wird unter
modernen Kommunikationsbedingungen ständig enttäuscht, was jedoch nicht zur
Aufgabe dieser Erwartung bzw. zum Hinterfragen der eigenen Selbstdarstellung
führt. Stattdessen wird die Schuld bei denjenigen gesucht, die nicht an ihre
Mitteilungen anschließen. Doch gerade
eine solche Erwartungshaltung lässt die Betroffenen in die soziale Irrelevanz
abgleiten. Die Freiheitsgrade ihrer Handlungsmöglichkeiten werden aus ihrer
Sicht soweit eingeschränkt, dass es gerechtfertigt erscheint von
Alternativlosigkeit zu sprechen. Sie selbst sind auch nicht in der Lage diese Entwicklung
durch die Suche nach alternativen Betätigungsfeldern abzuwenden. Die einzige Möglichkeit, um dann überhaupt
noch auf sich aufmerksam zu machen, besteht im Einsatz von physischer Gewalt,
weil es ihnen anderweitig nicht mehr gelingt.
Carl Schmitt
belegte die realistische Möglichkeit der physischen Vernichtung eines Feindes mit dem Begriff des Politischen (vgl. 2009 [1932], S. 27f.). Im Kontext des bereits vorgestellten Machtbegriffs umfasst der Begriff sowohl die Drohung mit Gewalt als auch die tatsächliche Anwendung. In dieser Fassung ist der Begriff nicht in der Lage den Unterschied zwischen machtüberlegen, machtunterlegen und machtlos zu markieren. Er konzentriert sich nur auf den Einsatz von Gewalt. Wenn die Bestimmung eines Feindes bereits seine physische Vernichtung impliziert, dann ist die Feindbestimmung bereits ein Hinweis auf gescheiterte Macht. Kriege sind in diesem Verständnis das wechselseitige Eingeständnis der Beteiligten über ihre eigene Machtlosigkeit. Insofern bezeichnet Schmitts Begriff des Politischen zunächst nur ein Problem. Der Begriff ist jedoch nicht dazu geeignet die Operationsweise des Funktionssystems Politik zu beobachten. Die Konzentration auf mögliche und tatsächliche Gewaltanwendung ermöglicht zunächst nur die Beobachtung der machtlosen Außenseite der Politik. Doch in diesem Sinne wird er auch für eine systemtheoretische Machttheorie anschlussfähig, denn die realistische Möglichkeit der physischen Vernichtung beschreibt das Bezugsproblem der Politik. Die gesellschaftliche Funktion der Politik besteht im Kern darin, dass diese Möglichkeit nicht Wirklichkeit wird und auch niemand außer dem Staat legitim mit Gewalt drohen darf. Damit soll nicht bestritten werden, dass noch viele andere Erwartungen an einen Staat gerichtet werden, bei denen es darum geht gesellschaftliche Risiken zu minimieren oder zu kompensieren. Sofern sich Politiker bemühen auch diese Erwartungen zu erfüllen, war damit zumeist ein Wechsel der Methode von negativen Sanktionen in Form von Strafen zu positiven Sanktionen in Form von Geldleistungen verbunden. Wie weit derartige politische Konkurrenzangebote zur wirtschaftlichen Lebenunterhaltssicherung tragen, ist aktuell noch ungewiss. Wenn hier im Folgenden vom Politischen die Rede ist, dann ist damit nur das Problem der potentiellen und tatsächlichen Gewaltanwendung gemeint und nicht mehr. Die Zuschreibung von Freund und Feind ist dem gegenüber sekundär, aber sicherlich nicht irrelevant, wenn Feindbestimmungen bereits auf das Scheitern von Macht hinweist.
Als Realisierung der physischen Vernichtung von Menschen zeigt sich das Politische sowohl bei Terroranschlägen als auch bei Amokläufen. Zugleich wird ein sehr direkter Hinweis geben, wer für den Feind gehalten wurde. Während man bei Amokläufen erst nachträglich feststellen kann, wen der Täter für seine Feinde hielt, machen Terroristen bereits vorher keinen Hehl daraus, wer ihr Feind ist. Ob Amokläufer vor der Tat wirklich eine bewusste Feindbestimmung vollzogen haben, spielt politisch keine Rolle. Als Antrieb wäre auch reine Zerstörungswut denkbar, die sich an den zufällig gerade Anwesenden auslässt. Doch wie bereits ausgeführt, wird das Funktionssystem Politik mit diesen Ereignissen vor ein unlösbares Problem gestellt, denn das einzige Mittel, mit dem die Politik Einfluss nehmen kann – nämlich die Drohung mit Gewalt –, versagt in diesen Fällen. Die Vermeidungsalternative der Politik funktioniert bei den Tätern nicht. Deswegen ist die Politik machtlos gegenüber diesen Tätern.
Als Realisierung der physischen Vernichtung von Menschen zeigt sich das Politische sowohl bei Terroranschlägen als auch bei Amokläufen. Zugleich wird ein sehr direkter Hinweis geben, wer für den Feind gehalten wurde. Während man bei Amokläufen erst nachträglich feststellen kann, wen der Täter für seine Feinde hielt, machen Terroristen bereits vorher keinen Hehl daraus, wer ihr Feind ist. Ob Amokläufer vor der Tat wirklich eine bewusste Feindbestimmung vollzogen haben, spielt politisch keine Rolle. Als Antrieb wäre auch reine Zerstörungswut denkbar, die sich an den zufällig gerade Anwesenden auslässt. Doch wie bereits ausgeführt, wird das Funktionssystem Politik mit diesen Ereignissen vor ein unlösbares Problem gestellt, denn das einzige Mittel, mit dem die Politik Einfluss nehmen kann – nämlich die Drohung mit Gewalt –, versagt in diesen Fällen. Die Vermeidungsalternative der Politik funktioniert bei den Tätern nicht. Deswegen ist die Politik machtlos gegenüber diesen Tätern.
Beide
Tätergruppen sind im Leben als Personen umfassend gescheitert. Ihnen ist es
nicht gelungen, die Herausforderungen oder Prüfungen, die das Leben bereithält,
zu meistern. Sie sind am Ende isoliert und der eigene Tod erscheint als eine
Befreiung aus dieser Isolation. Außer ihrem Leben haben sie nichts mehr zu
verlieren. Im strengen Sinne trifft dies allerdings nur auf Amokläufer zu, die
zumeist Einzeltäter sind. Der finale
Amoklauf lässt sich dann als ein Versuch verstehen, sich Genugtuung durch die
Anwendung von Gewalt zu verschaffen. Die Opfer dieser Gewalt können persönliche
Bekannte sein, müssen es aber nicht. Es können genauso gut Personen sein, die
für eine bestimmte Institution stehen, auf die sich der Hass des Täters
richtet. Die Auswahl der Opfer erfolgte zufällig. Darin besteht eine
Gemeinsamkeit mit Terrorakten. Die Auswahl der Opfer zeigt aber zugleich, dass
die Generalisierung des Hasses nicht über den persönlichen Einflussbereich
hinausging. Die Ablehnung der Umwelt hat sich unter Umständen schon von persönlichen
Bekannten abgelöst und auf eine Institution übertragen. Trotzdem ging sie nicht
soweit, dass die Tat als Ausdruck der Ablehnung der Gesellschaft als Ganze
verstanden werden kann. Sie sehen für sich einfach nur keinen Platz in der
Welt, wie sie sie sehen.
Eine kollektiv
bindende Entscheidung, die vielleicht die Situation anderer Betroffener
verbessern könnte, kann und wird durch die Tat nicht erzwungen. Dadurch fehlt der
Tat das Moment, das eine Relevanz für das Funktionssystem Politik begründen
könnte, denn für einen modernen Staat sind Amokläufer zwar ein Problem, aber
keine Feinde im strengen Sinne. Sofern man überhaupt von Feinden sprechen
möchte, werden Amokläufer nur durch ihr gewaltsames Verhalten zu Feinden der
modernen Gesellschaft. Zu einem politischen Problem werden Amokläufer nur durch
das Mittel ihrer Konfliktbewältigung. Die fehlende politische Botschaft der Tat
lässt erkennen, dass der performative Aspekt – systemtheoretisch gesprochen die
Form der Mitteilung – im Vordergrund steht. An die mitgeteilten Informationen
kann man, sofern der Täter nicht überlebt, nicht mehr direkt anschließen. Genauso
wie bei einer rhetorischen Frage wird vom Adressaten keine Antwort erwartet.
Insofern ist nicht zu erkennen, dass durch die Tat ein Staat zu einer kollektiv
bindenden Entscheidung motiviert wird, um diese Gewaltanwendung zukünftig zu
verhindern. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass es dem Täter lediglich
darum geht seinen Schmerz über die aussichtlose Situation, in der er sich
befindet, der Welt mitzuteilen – mehr noch, den Schmerz spüren zu lassen. Es geht nicht
darum Feinde zu vernichten, sondern um die Mitteilung von Gefühlen. Die Tat kann aufgrund der sehr intimen Informationen, die durch sie mitgeteilt werden, nur als persönliche Botschaft verstanden werden. Im Hinblick
auf das Leid der Angehörigen von Opfern einer solchen Tat muss festgestellt
werden, dass dies in gewisser Weise auch funktioniert. Unter diesem
Gesichtspunkt handelt es sich bei Amokläufen um eine sogenannte Ventilsitte (vgl. Coser 2009 [1956], S. 47ff.). Auch wenn sie
weder sozial institutionalisiert wurden noch als solche akzeptiert ist, sind sie doch zu einer traurigen Regelmäßigkeit geworden.
Bei Selbstmordanschlägen handelt es sich dagegen nicht um persönliche Botschaften der Täter. Auch wenn
die Biographien vieler Islamisten, die in westlichen Gesellschaften
aufgewachsen sind, Ähnlichkeiten mit denen von Amokläufern aufweisen, besteht
doch ein wichtiger Unterschied – sie berufen sich auf eine religiös-politische
Agenda und können daher nicht als Einzeltäter betrachtet werden, sondern als Vertreter einer Protestbewegung. Das
gefährliche an Protestbewegungen, wie dem politischen Islamismus und anderen,
besteht darin, dass sie jedem offensteht, der in irgendeiner Form den modernen,
üblicherweise als »westlich« bezeichneten Lebensstil ablehnen. Sie liefern den
ideologischen Überbau. Dieser ist zumeist so voraussetzungslos, dass sich jeder
darauf berufen kann, der seiner radikalen Ablehnung der modernen Gesellschaft eine
Rechtfertigung zu geben versucht. Die Ideologie liefert hier nochmals einen
Generalisierungsschub der Ablehnung über die Grenzen des persönlichen
Einflussbereichs hinaus. Das unveränderliche Merkmal als Deutungskontext macht
diese Generalisierung besonders leicht, weil sie auf diese Weise viel zu
einfache Deutungen komplexer Zusammenhänge zulässt. Zuschreibungen wie »Ungläubiger« verführen dazu vom Verhalten der so
attributierten Personen abzusehen und damit von den relevanten Informationen,
die dieser Attribution widersprechen können. Während der Amokläufer am Ende
seiner Entwicklung mehr oder weniger isoliert ist und die Konflikte
verinnerlicht wurden, kanalisiert die Ideologie den psychischen Konflikt nach
außen und eröffnet sogar neue Inklusionsmöglichkeiten. Die Attraktivität
politischer Ideologien liegt darin, dass sie die Frustration und die Ablehnung auf etwas
kanalisieren, dadurch in der Perspektivlosigkeit neuen Sinn stiften und die
Quelle für neue Motivation liefern.
Die relative
Vereinzelung der Täter lässt jedoch keine größere Organisation zu. Festgeschrieben
sind nur die weltanschaulichen Prämissen und die daraus abgeleiteten Ziele. Dadurch
wird den Sympathisanten bei der konkreten Umsetzung sehr große Freiheit gelassen.
Dies kommt der sozialen Isolation der potentiellen Täter entgegen, die sich nun
bestärkt sehen ihre Aggressionen nach außen zu tragen – egal ob allein oder
gemeinsam mit anderen. Die Organisationsprinzipien der Terrorzellen sind
Dezentralität, Lokalität und Unbeobachtbarkeit, was der persönlichen Situation
sehr entgegen kommt. Durch diese Prinzipien gewinnt die Bewegung eine
unkontrollierbare Eigendynamik und verselbständigt sich. Das Gefährliche
speziell des Islamismus besteht darin, dass sie es den Verlierern der
westlichen Gesellschaft ermöglicht ihren privat gepflegten Ressentiments eine
politische Deutung zu geben, um ihnen eine universelle Qualität und objektive
Berechtigung zu verleihen, die den Todeswunsch aber letztlich nicht aufhebt,
sondern nur rekontexualisiert. Das Gefühl, dass man nicht allein ist, gibt dabei
einen gravierenden Motivationsschub. Der private Groll kann nun in den Dienst
einer vermeintlich höheren Sache gestellt werden. Der Islamismus spricht all
diejenigen an, die selbst gerne einmal Gewalt gegen unliebsame Personen
einsetzen würden, ihre kulturellen Regeln ihnen dies aber verbieten. Das als
unveränderlich angenommene Merkmal liefert dabei die Begründung der eigenen
Überlegenheit und damit zugleich die Rechtfertigung für die Anwendung von
Gewalt, um sich ihre vermeintliche Überlegenheit zu bestätigen.
Dadurch kann die
terroristische Gewalt nicht als rein performativer Akt betrachtet werden. Durch
das Töten im Namen einer Ideologie wird eine politische Botschaft kommuniziert.
Obgleich es sich auch um einen deutlichen Ausdruck der eigenen Machtlosigkeit
handelt, hat man es nun mit der Mitteilung einer losen Gemeinschaft zu tun. Aus der in den Selbstmordanschlägen ostentativ zur Schau gestellten Autoaggression
entspringt eine andere Form der Macht – sofern der Begriff Macht dafür
überhaupt angemessen ist. Unter dem Stichwort »Psychoterror« wird diese Macht im nachfolgenden Abschnitt erneut thematisiert. Die Selbstmordattentäter demonstrieren mit ihrem autoaggressiven Verhalten, dass die Gemeinschaft, in deren Namen sie töten, von der Übermacht ihres Gegners nicht einschüchtern lässt. Durch diese
vorauseilende Bereitschaft, Gewalt gegen
sich selbst anzuwenden, wird dem Gegner jegliche Möglichkeit für eine
glaubhafte Drohung genommen. Die
Autoaggression kommt einer Entwaffnung des politischen Gegners gleich. Selbstmordattentate
sollen damit die Überlegenheit der Gemeinschaft demonstrieren. Ist diese Stufe
der Eskalation jedoch erreicht, wird die terroristische Gewalt zur reinen
Selbstbefriedigung von Allmachtsfantasien der Täter. Man genießt die
Vorstellung, dass man durch öffentlichkeitswirksam inszenierte Brutalität Angst und Schrecken
verbreitet und jeglichen Widerstand demotiviert. Dadurch wird die kämpferische
Pose jedoch zu einer leeren Drohung. Die Drohgebärde ist Mittel und Zweck
zugleich. Dass die Gewaltanwendung zur reinen Selbstbefriedigung degeneriert,
zeigt sich auch daran, dass es in den islamistischen Bewegungen keine
ernsthaften Pläne für die Zeit nach dem Sieg über die Ungläubigen gibt [5].
Auch Amokläufer
berauschen sich wahrscheinlich an dieser Vorstellung, dass sie durch ihren
letzten gewaltsamen Auftritt im Gedächtnis bleiben werden. Doch während sie
noch in einem sozialen Kontext handeln, der Gewalt verachtet, und sie nur
daraus die Hoffnung auf einen zweifelhaften Ruf ziehen, halten Terroristen
Gewaltanwendung für akzeptabel und hoffen auf einen Märtyrertod. Vereinfacht
ausgedrückt, der Amokläufer stirbt in dem Bewusstsein als Anti-Held, der
sicherlich auch seine Bewunderer finden wird, in die Geschichte einzugehen, der
Selbstmordattentäter dagegen als Held seiner Bewegung. Letztlich begehen beide
einen egoistischen Selbstmord im
Sinne von Emile Durkheim (vgl. 1983 [1897], S. 232) [6]. Doch erst die ideologische Instrumentalisierung verleiht den
Selbstmordanschlägen ihre politische und damit auch scheinbar altruistische
Dimension. Auch bei terroristischer Gewalt fällt der rein performative Aspekt
sofort ins Auge. Gleichwohl sind die politischen Implikationen andere als bei
Amokläufen.
Das Dilemma der Moderne
Politische Macht
muss bestimmten Selbstbefriedigungsverboten
unterliegen, damit sie nicht zur grenzenlosen Befriedigung persönlicher
Geltungsbedürfnisse eingesetzt wird (vgl. Luhmann 2003 [1975], S. 63). Mit
anderen Worten, Machtanwendung als Drohung mit Gewalt muss eingeschränkt werden. Durch die Regelung der legitimen Gewaltanwendung wird der Einsatz von
politischer Macht erwartbar und kalkulierbar. Diese Konditionalisierung
politischer Macht gelingt durch das gesellschaftliche Funktionssystem Recht.
Das Recht unterbindet eine willkürliche Anwendung von Macht und Gewalt. Durch willkürliche
Gewaltanwendung kommt es dagegen zu einer Inflation
der Macht. Genauso wie eine unglaubwürdige Drohung Macht entwertet, so
entwertet auch ein willkürlicher und exzessiver Einsatz von Gewalt die Macht
des Täters. Die Willkürlichkeit der Anwendung ist ein Hinweis darauf, dass es
nicht darum geht den Adressaten zu einer unfreiwilligen Handlung zu motivieren.
Die Gewaltanwendung bleibt keine Drohung und das Opfer wird dadurch zu nichts motiviert.
Willkürliche und demonstrative Gewaltanwendung verlangt von den Adressaten –
also den Zeugen der Gräueltaten – reine Unterwerfung [7]. Das Ziel ist es,
ihren Willen zu brechen. Und selbst das kann nicht verlässlich vor der Gewalt
des Aggressors schützen. Wenn jedoch Unterwerfung bzw. Kapitulation für die
Bedrohten keine Option ist, gestaltet sich die Entscheidung, wie man auf diese
Gewalt angemessen reagieren kann, äußerst schwierig. Eigentlich macht es keinen
Unterschied, wie moderne Staaten darauf antworten. Es wird von den Terrorgruppen
immer gegen sie ausgelegt. Wird versucht zu beschwichtigen oder zu verhandeln,
wird dies als Schwäche ausgelegt und man muss nur so weiter machen bis sich der
Gegner dem Terror beugt. Terroristen können auf Verhandlungsangebote schon
deswegen nicht eingehen, weil sich bei den Verhandlungen vermutlich nochmals
die Machtlosigkeit der Terroristen zeigen würde. Sie haben nichts, worüber sie
verhandeln könnten, außer mit dem wahllosen Töten aufzuhören. Auf das einzige
Druckmittel, was ihnen zu Verfügung steht, werden sie nicht einfach verzichten.
Und so bleibt den Terroristen nichts anderes übrig als immer so weiterzumachen.
Gefährlich wird es, wenn die Bedrohten von der impliziten oder sogar expliziten
Annahme ausgehen, dass die Gewalt der Terroristen legitim und gerechtfertigt
wäre. Wehrt man sich andererseits gegen terroristische Angriffe – und der
Einsatz von Gewalt wird dabei nicht ausbleiben –, wird dies erst Recht als
Legitimation verstanden mit dem Terror weiter zu machen.
Hier stößt man,
wenn man so sagen darf, auf den Terror 2.Ordnung, nämlich den Psychoterror. Wenn es egal ist, wie der
Westen auf den Terror reagiert, dann versuchen die Terroristen den Westen in
etwas zu treiben, was aus Tierversuchen als Experimentalneurose bekannt ist.
Bei einer pawlowschen Konditionierung wird ein Tier zuerst darauf trainiert
zwischen einem Kreis und einer Ellipse zu unterscheiden. Sobald diese
Unterscheidung gelernt wurde, werden mit jedem Durchgang die Ellipse immer
runder und der Kreis immer flacher gemacht. Schließlich kommt ein Durchgang bei
dem der Kreis und die Ellipse nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt zeigt das Tier ernsthafte Verhaltensstörungen
(vgl. Bateson 1981 [1964], S. 383). Das Verhalten der Terroristen beruht auf
demselben Prinzip. Ob dies absichtlich geschieht, darüber soll hier nicht
spekuliert werden. Sobald ein Kommunikationspartner immer auf dieselbe Weise
reagiert, egal was man tut, dann kann genau derselbe Effekt entstehen. Ohne Unterschiede in den Reaktionen des
Kommunikationspartners, egal was man tut, erscheint das eigene Handeln
folgenlos und damit sinnlos. Die wiederholte Erfahrung eines solchen
Ereignisses frustriert die Betroffenen mit der Zeit. Die Frustration und
Verzweiflung wird häufig zu einem aggressiven Verhalten führen. Die Terroristen
hatten wahrscheinlich zu irgendeinem Zeitpunkt dasselbe Problem. Ihr Handeln
machte für sie hinsichtlich der Aufmerksamkeit und Anerkennung durch andere
Personen keinen Unterschied mehr, egal was sie taten. In dieser Situation sahen
sie sich vor die Alternativen Unterwerfung unter sinnlose Regeln oder Widerstand gegen sie gestellt. Die
Terroristen versuchen durch ihr Verhalten möglicherweise bei den Zeugen des
Terrors genau dasselbe verzweifelte Gefühl zu erzeugen, das sie schließlich
dazu bewogen hat gewalttätigen Widerstand zu leisten. Dadurch reproduzieren sie
aber nur diese Situation und stellen andere Menschen vor die Wahl sich entweder
ihrer willkürlichen Verfügungsgewalt auszuliefern oder Widerstand zu leisten. Moderne Staaten
stehen ebenso vor diesem fatalen Dilemma.
Wenn jedoch Unterwerfung für beide Seiten keine Option ist, weil man sich damit selbst
verraten und aufgeben würde, ist die Eskalation
der Gewalt vorprogrammiert. Dies ist vermutlich immer der Fall, sobald eine
Seite bereit ist Gewalt gegen sich selbst einzusetzen. Damit erheben sich diese
Personen über jede soziale Ordnung und zeigen, dass sie nicht bereit sind sich irgendwelchen
Regeln zu unterwerfen – nicht mal ihren eigenen. Moderne Staaten stehen nun vor dem Problem, wie man mit Personen umgeht, die sich auf diese Weise über
jegliche politische und rechtliche Ordnung stellen, um das Recht des Stärkeren
– also die willkürliche Anwendung von Gewalt – durchzusetzen. Man kann von den
Methoden der USA im Kampf gegen den Terror halten, was man will. Abu Ghuraib,
Guantanamo oder der Drohnenkrieg lassen sich nur verstehen, wenn man sich
darüber klar wird, dass die Seite die Regeln diktiert, die bereit ist bis zum
Äußersten zu gehen – d. h. sich selbst zu opfern – und das sind in diesem Fall
die islamistischen Terroristen. Spätestens mit dem Anschlag vom 11. September
2001 haben sie den Anschein einer verrechtlichten Weltordnung zerstört und
gezeigt, dass auf der Ebene der Weltpolitik Anarchie herrscht und alles erlaubt
ist. Zu Zeiten des Kalten Krieges ließ sich diese Tatsache durch die Arbeit der
Geheimdienste relativ gut aus der Öffentlichkeit heraus halten. Der weltweit
operierende islamistische Terror hat jedoch kein Interesse daran, dass seine
Aktionen im Verborgenen bleiben. Er setzt auf die Öffentlichkeitswirksamkeit der
terroristischen Gewalt, um weitere Anhänger zu gewinnen. Deswegen verstehen es islamischtische Terrorgruppen so gut die Verbreitungskanäle der Massenmedien für sich zu
nutzen. In den Massenmedien, mit ihrer Vorliebe für Devianz [8], finden die
Terroristen willige Abnehmer, die ihre Botschaft verbreiten, auch wenn sie die
Botschaft nicht teilen. Gerade durch ihre eigenen Selektionskriterien werden
die Massenmedien zu heimlichen Verbündeten der Terroristen.
Zugleich zeigt dies
nochmals, wie sehr rohe, willkürliche Gewalt als Mittel zur Durchsetzung der
eigenen Interessen von den Terroristen akzeptiert ist, denn sie sind bereit
sich öffentlich dazu zu bekennen. Jede Gesellschaft, die ihre Ordnung auf die
Vermeidung von Gewalt gründet, muss daher auch Gewalt anwenden, wenn diese
Ordnung durch gewalttätiges Verhalten bedroht wird. Ansonsten beugt man sich
dem Recht des Stärkeren und der Ausnahmezustand wird zum Normalfall. Die Terroristen versuchen mit ihren Aktionen den
Ausnahmezustand herbeizuführen. Das durch die terroristische Gewalt produzierte
soziale Chaos wird zur Bedingung der eigenen Macht. Das Recht des Stärkeren muss
deswegen im hier eröffneten theoretischen Kontext als das Recht des Schwächeren
interpretiert werden, seine Interessen mit Gewalt durchzusetzen – mehr noch als
das Recht seine eigene Machtlosigkeit
durch die Anwendung physischer Gewalt zu kompensieren.
Im Hinblick auf
die möglichen Reaktionen auf terroristische Gewalt, stellt sich die Frage nach «richtig
oder falsch« oder »legitim oder illegitim« dann nicht mehr. Es stellt sich eher
die Frage, ob man, sobald man mit einem politischen Gegner konfrontiert ist, der
zum bedingungslosen Einsatz von Gewalt – auch gegen sich selbst – bereit ist,
nicht zwangsläufig zum Verrat an allen Werten gezwungen wird, die einem hoch
und heilig sind? Gibt es im Angesicht einer solchen Bedrohung noch eine
Möglichkeit sein eigenes Selbstverständnis zu wahren oder gehen nicht am Ende
alle beschädigt aus dieser Auseinandersetzung hervor? Das sind keine angenehmen
Fragen und bis heute scheut man sich derartige Fragen öffentlich zu
diskutieren. Der inzwischen schon über eine Dekade dauernde Krieg gegen den
Terror lässt erhebliche Zweifel aufkommen, dass man unbeschädigt aus einer solchen
Auseinandersetzung hervorgehen kann. Wenn ein Beteiligter zur bedingungslosen
Anwendung von Gewalt bereit ist und sich auch von der Möglichkeit, selbst Opfer
von Gewalt zu werden, nicht abschrecken lässt, dann werden bei den Bedrohten
auch nur die dunkelsten Seiten ihres Charakters angesprochen. Die Ideologie der
Terroristen bringt eine selektive Wahrnehmung mit sich, die ihnen dabei hilft die
aufgeworfenen Fragen und Probleme auszublenden. Der Zweck heiligt in ihren
Augen jedes Mittel. Doch solche unangenehmen Fragen müssen gestellt und
diskutiert werden. Schon allein um dem weitverbreiteten pazifistischem Missverständnis
entgegen zu treten, in der modernen Gesellschaft könnte man auf die Anwendung
von Gewalt vollständig verzichten. Denn gerade diese unpolitische und unrealistische
Erwartungshaltung, die sogar von vielen Politikern bedient wird, trägt zu einer
gravierenden Delegitimierung des Funktionssystems Politik bei – und damit zu
dessen Entmachtung. Damit wäre wiederum den Gegnern der Moderne am meisten
geholfen. Pazifismus ist letztlich nur das komplementäre Gegenstück zum Recht
des Stärkeren. Er ist die Illusion der Schwachen, dass schon allein ihre
Schwäche entwaffnend wirkt und bei den Tätern Schuldgefühle auslöst. Es zeugt
von einem großen Maß an Naivität zu glauben, dass sich skrupellose Mörder davon
beeindrucken lassen. Das Konzept des Pazifismus ist lediglich der vorauseilende
Gewaltverzicht, um nicht selbst das Opfer von Gewalt zu werden. Es ist der Versuch einen Aggressor zu beschwichtigen. Aber mit dieser Reaktion hat man
sich bereits seiner Macht unterworfen. Die naive, bedingungslose Negation von
Gewalt bestätigt letztlich nur die Wirksamkeit der Gewaltandrohung. Im
Anschluss an Schmitt kann man sogar sagen, Pazifisten überlassen es lieber den
Personen, die bereit sind Gewalt anzuwenden, die Unterscheidung von Freund und
Feind für sie mit zu treffen (vgl. 2009 [1932], S. 47). Sie lehnen Gewalt eigentlich nicht ab, sie wollen nur nicht selbst die Entscheidung über den Einsatz von Gewalt treffen, weil es ihrem moralisch überhöhten Selbstbild nicht entspricht, und überlassen sie denjenigen, die bereit sind sie zu treffen.
Sofern jedoch
Unterwerfung für beide Beteiligten keine Option ist, wird Gewalt immer
Gegengewalt erzeugen. Terroristische
Gewalt wirkt daher gesellschaftlich und psychisch regressiv. Denn solange
nicht beiden Seiten daran gelegen ist, Gewalt zu vermeiden, lässt sich die
Spirale der Gewalt nicht stoppen. Das innere psychische Chaos der Täter erzeugt
soziales Chaos, das wiederum das psychische Chaos verstärkt, das wiederum das
soziale Chaos verstärkt usw.. Auch daraus lässt sich ein Lebensstil entwickeln,
der jedoch für die Betroffenen häufig selbstzerstörerisch ist. Ideologisch verbrämt
werden persönliche Konflikte sozial nicht isoliert, sondern breiten sich
unkontrolliert in der Gesellschaft aus. Der islamistische Terror versucht diejenigen, die sich als Verlierer des westlichen Lebensstils sehen, zu instrumentalisieren, um der ganzen Welt israelische
Zustände zu bringen. Es ist der Versuch eine radikal egozentrische, selbstbezogene
Sichtweise zu kultivieren und weltweit zu verbreiten. Sie ist radikal, weil
sich durch eine autoaggressive Wendung die eigene Ohnmacht zu einem
berauschenden Gefühl der Allmacht verkehrt [9]. Die Betroffenen gefallen sich
darin durch die eigene Selbstverleugnung Angst und Schrecken zu verbreiten. Man
mag nun die westliche Lösung der Entpolitisierung, Verrechtlichung und
Isolierung von zwischenmenschlichen und persönlichen Konflikten für zynisch
halten, doch immerhin besteht auf diesem Wege noch die Chance, dass der
Konflikt konstruktiv gewendet werden kann, denn er bietet den Betroffenen zumindest
die Möglichkeit zum Lernen. Der islamistische Terror macht deutlich, was die
Alternative wäre, wenn es erlaubt ist, dass Frust und Aggression ungezügelt
Ausdruck verschafft werden kann, um persönliche Geltungsbedürfnisse zu
befriedigen. Um zu sehen, was dabei herauskommt, muss man sich die sozialen
Ordnungen anschauen, die in den Einflussgebieten der Taliban oder des
Islamischen Staates entstanden sind.
Welche Präventionsmöglichkeiten gibt es?
Nur dadurch dass
andere Menschen zu Schaden kommen, können Exklusionsdynamiken von
Einzelpersonen zu einem politischen Problem werden. Da jedoch eine
Früherkennung und Prävention fast unmöglich ist, kann die Politik keine
effektiven Lösungen anbieten. Darüber hinaus sind alle Mittel, die möglich
sind, eine solche Tat zu verhindern bereits im Einsatz. Als erstes ist hier
Erziehung zu nennen, durch die vermittelt wird, wie man mit akzeptablen, also
gewaltlosen Mitteln Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann. Darüber hinaus kann
man auch durch die eigenen Erfahrungen lernen, wie man sein Verhalten
attraktiver macht. Ab einem bestimmten Alter, wird dies ohnehin von jedem erwartet. Es steht heute eine unüberschaubare Anzahl an Möglichkeiten
zur Verfügung, die zeigen, dass Alternativlosigkeit lediglich ein subjektiver
Eindruck ist. Wer unter diesen Möglichkeiten nichts für sich findet, an dem man
sich mit Freude beteiligen kann, dem ist möglicherweise wirklich nicht zu
helfen.
Man ist versucht
dem Erziehungssystem die Aufgabe zuzuschreiben, dass es die Menschen darauf
vorbereitet ihr Leben selbständig zu führen. Dass dies allein nicht reicht, hatte
am 24. März 2015 der Amokpilot Andreas Lubitz gezeigt. Er war durchaus in der
Lage sein Leben selbständig zu führen. Trotzdem sah er sich offenbar zu mehr
berufen, ohne dass er dieses Mehr realisieren konnte. Dass er sich am Ende auf
diese Weise umbringen musste, zeigt dass er sehr wahrscheinlich auch nicht dazu
in der Lage gewesen wäre seine Ambitionen zu verwirklichen. Für diese
Enttäuschung über sich selbst mussten 149 weitere Menschen mit dem Leben
bezahlen. Insofern muss Erziehung mehr leisten als durch das schlichte Eintrichtern
von Wissen die Menschen auf das Leben vorzubereiten. Wissen muss jeden Menschen
in der Lage versetzen zu Handeln. Das gilt nicht nur für die Ausführung vorgegebener
Aufgaben, sondern auch von Problemen, deren direkte Lösung nicht beigebracht
wurde. Dazu gehört die Fähigkeit zur Abstraktion bzw. Generalisierung, um den
Bezug zu neuen, unbekannten Problemen herstellen zu können. Doch gerade die
allgemeinere Relevanz von bestimmten Lehrinhalten wird häufig nicht aufgezeigt
oder fehlt sogar völlig. Deswegen sind vermutlich viele Jugendliche heute eher
konformistisch eingestellt. Sie sind nicht mehr in der Lage im Unvertrauten das
Vertraute zu erkennen und klammern sich an das, was sie kennen und Sicherheit
verspricht. Das einfache Lernen von bestimmtem Wissen ist als ausreichende
Vorbereitung auf das Leben zu wenig. Reine Wissensvermittlung greift viel zu kurz. Vielmehr muss das Lernen selbst gelernt
werden, also wie man sich selbst bestimmtes Wissen aneignet und aufbereitet, um
ein bestimmtes Problem zu lösen. Erst dadurch erlangen Menschen eine Autonomie,
die sie unabhängig von vorgegebenen Erwartungen handeln lässt. Zum Lernen des Lernens gehört unter anderem die Fähigkeit
zur kritischen Selbstreflexion – aber nicht in einem destruktiven, anklagenden Sinne, sondern in einem konstruktiven, bestärkenden Sinne, die
Fehler nicht als persönliches Versagen sondern als Gelegenheit zum Lernen betrachtet.
Fehler informieren zunächst immer über die eigenen unangemessenen Erwartungen.
Es gilt zu lernen diese negativen Erfahrungen auszuhalten. Nur dann kann man
ihren beschränkenden Einfluss auf das eigene Denken überwinden.
Unterlassung und
Enthaltsamkeit sind nur Selbstverwirklichungsmöglichkeiten durch Nichts-Tun. Es
handelt sich dabei um eine Selbst-Verdrängung
indem die eigenen Wünsche und Bedürfnisse ignoriert werden. Selbstreflexion
führt dann zu einem negativen, schuldbeladenen und damit destruktiven
Selbstverständnis, da man den sozial geteilten Unterlassungserwartungen nicht
genügen kann. Durch die Unmöglichkeit sich durch Enthaltsamkeit selbst zu
verwirklichen, werden die unerfüllten und verdrängten Wünsche zu ungerichteter Aggression
sublimiert, die irgendwann nach Ausdruck verlangen. Die Aggression richtet sich
dann auf alles, was der eigenen Selbstverwirklichung im Wege steht – und das
ist, wird ein solches Selbstverständnis lange genug durchgehalten, im Prinzip
die ganze Welt. Es dürfte kein Zufall sein, dass die lustfeindlichsten
Kulturen, wie die radikalen Spielarten des Islam, zugleich die blutigsten
Schreckensherrschaften errichtet haben. Im Anschluss an Sigmund Freud könnte
man sagen, der einzige Lustgewinn wird aus der Unlustvermeidung gezogen (vgl.
2007 [1930], S. 42ff.). Da in einer solchen Kultur aber schon die kleinste
Abweichung von den gemeinschaftlichen Erwartungen die anderen Mitglieder in
ihrem Selbstverständnis verletzt und somit Unlust erzeugt, kann das Töten sehr
schnell zur einzigen Selbstvergewisserung werden, die lustfeindlichen Kulturen
bleibt. Da nur Menschen Lust, Freude und Glück empfinden können, handelt es
sich bei dieser Lustfeindlichkeit daher
nicht nur um die Ablehnung eines bestimmten Gesellschaftsmodells, sondern
darüber hinaus um Menschenfeindlichkeit.
Diese wird in Kulturen gefördert, die die menschliche Existenz nur negativ
durch die Versagung von Genuss, Lust und Freude realisiert sehen. Unter solchen
Bedingungen kann jeder Fehler tödlich sein. Diese Voraussetzungen begünstigen
dann die Entwicklung von Schuldgefühlen und Selbsthass, weil man den Ansprüchen
der Gemeinschaft nicht gerecht wird. Weder sozial noch psychisch ist dabei eine
Entwicklung durch Lernen vorgesehen. Diese wird mit roher Gewalt unterdrückt.
Die Verdrängung von Wünschen und Bedürfnissen kann daher in der modernen Gesellschaft, die Anerkennung nur für das, was man kann, und nicht für das, was man nicht kann, vergibt, keine Lösung mehr sein. Gerade das macht aus Menschen tickende Zeitbomben. Und doch besteht auch in der modernen Gesellschaft die Gefahr, dass ein unbefriedigtes Geltungsbedürfnis einen Aggressionsstau auslöst, der sich irgendwann unkontrolliert entlädt. Die moderne Variante der Konfliktbearbeitung kann diese Möglichkeit nicht völlig ausschließen. Sie setzt zwar auf die Transparenz der Verfahrensregeln. Zugleich wird der persönliche Konflikt jedoch auf diesem Weg isoliert und in die soziale Irrelevanz, getrieben, sofern der Unterlegene des Verfahrens seine Niederlage nicht einsehen will. Dann wuchert der Konflikt lediglich in der Psyche vor sich hin und kommt als Amoklauf plötzlich und unerwartet zum Ausdruck. Oder er wuchert sozial in »Exklusionsräumen« (Luhmann 1997, S. 632) wie Ghettos oder Gefängnissen weiter vor sich hin und verschafft sich schließlich nicht ganz so unerwartet im ideologisch gerechtfertigten Terror seinen Ausdruck. Letztlich bleibt heute trotzdem nur die Möglichkeit Konfliktlösungsverfahren zu institutionalisieren, bei denen durch die Nachvollziehbarkeit der Regeln eine realistische Chance auf einen Erfolg besteht, aber auch eine Niederlage erträglich ist und nicht als Gesichtsverlust aufgefasst wird, wenn man weiß warum man dieses Mal unterlegen war.
Die Verdrängung von Wünschen und Bedürfnissen kann daher in der modernen Gesellschaft, die Anerkennung nur für das, was man kann, und nicht für das, was man nicht kann, vergibt, keine Lösung mehr sein. Gerade das macht aus Menschen tickende Zeitbomben. Und doch besteht auch in der modernen Gesellschaft die Gefahr, dass ein unbefriedigtes Geltungsbedürfnis einen Aggressionsstau auslöst, der sich irgendwann unkontrolliert entlädt. Die moderne Variante der Konfliktbearbeitung kann diese Möglichkeit nicht völlig ausschließen. Sie setzt zwar auf die Transparenz der Verfahrensregeln. Zugleich wird der persönliche Konflikt jedoch auf diesem Weg isoliert und in die soziale Irrelevanz, getrieben, sofern der Unterlegene des Verfahrens seine Niederlage nicht einsehen will. Dann wuchert der Konflikt lediglich in der Psyche vor sich hin und kommt als Amoklauf plötzlich und unerwartet zum Ausdruck. Oder er wuchert sozial in »Exklusionsräumen« (Luhmann 1997, S. 632) wie Ghettos oder Gefängnissen weiter vor sich hin und verschafft sich schließlich nicht ganz so unerwartet im ideologisch gerechtfertigten Terror seinen Ausdruck. Letztlich bleibt heute trotzdem nur die Möglichkeit Konfliktlösungsverfahren zu institutionalisieren, bei denen durch die Nachvollziehbarkeit der Regeln eine realistische Chance auf einen Erfolg besteht, aber auch eine Niederlage erträglich ist und nicht als Gesichtsverlust aufgefasst wird, wenn man weiß warum man dieses Mal unterlegen war.
Im konstruktiven
Sinne wird Selbstverwirklichung heute nur durch das Erfüllen der eigenen
Wünsche und Bedürfnisse durch persönliche Kommunikationsbeteiligung
realisiert. Dafür sollten Personen in der Lage sein ihre Fähigkeiten und
Handlungsmöglichkeiten sowie deren Entwicklungspotentiale genauso zu erkennen,
wie die Grenzen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten. Dies gelingt allerdings
nicht durch die Zuschreibung von unveränderlichen Merkmalen – und sei es nur
die Unfähigkeit zum Lernen selbst, die als unveränderlich betrachtet wird. Nur
wer seine aktuellen Grenzen kennt, lernt mit Enttäuschungen und Misserfolg
umzugehen, ohne sich durch solche Ereignisse vollständig entmutigen zu lassen. Fehler
zu machen darf daher kein gesellschaftliches Tabu sein, nur damit jeder sein
idealisiertes Selbstbild aufrecht erhalten kann. Menschen sind
nun einmal fehlbar. Aber nur dadurch sind sie auch lernfähig. Wenn Fehler
zugelassen sind, sind psychische und soziale Konflikte damit vorprogrammiert. Konflikte
können daher ebenfalls nicht unterdrückt werden, sondern es müssen Verfahren
gefunden werden, diese Konflikte friedlich zu lösen, anstatt sie gewaltsam eskalieren
zu lassen. Das muss aber nicht heißen, dass ein Konflikt in jedem Fall zur Zufriedenheit aller Beteiligten gelöst wird. Die Form der
Konfliktaustragung ist also entscheidend. Konflikten aus dem Weg zu gehen
und sich Ersatzbefriedigungen zu suchen ist keine effektive Lösung, da auf
diese Weise ein Konflikt nicht gelöst wird und damit die Quelle negativer
Emotionen nicht versiegt. Vielmehr werden die negativen Emotionen durch
Ersatzbefriedigungen lediglich abgelenkt und neu ausgerichtet. Sie werden
gleichsam dissoziiert. Auf diese Weise werden Ressentiments herangezüchtet.
Eine wichtige Voraussetzung
für eine sozial verträgliche Konfliktlösung ist die Fähigkeit zur Distanzierung von negativen Emotionen. Diese
entstehen bei der Enttäuschung gehegter Erwartungen und können von den
Betroffenen unter Umständen sogar als Verletzung des eigenen Image – häufig als
narzisstische Kränkung bezeichnet – verstanden werden. Im Rahmen von Konflikten
sind solche Verletzungen sehr wahrscheinlich und es gilt zu lernen mit solchen
Verletzungen umzugehen. Dies gelingt durch das Aufzeigen anderer Möglichkeiten bzw. funktionaler Äquivalente,
die ohne eine Verletzung des Kommunikationspartners auskommen und trotzdem die eigenen Erwartungen erfüllen. Auch dabei geht
es letztlich um das Angebot einer Ersatzbefriedigung. In diesem Fall werden die
negativen Emotionen aber nicht dissoziiert, sondern auf die Quelle gelenkt –
die enttäuschten Erwartungen. Die soziale Klärung der enttäuschten Erwartungen
kann schließlich zur Auflösung der negativen Emotionen führen. An ihre Stelle
tritt das positive Gefühl ein Problem erfolgreich gelöst zu haben, ohne das
andere Personen zu Schaden gekommen sind. Insofern braucht es keine
Verliererkultur, wie des Öfteren in Feuilleton-Artikeln gefordert wird. Denn
dabei geht es zumeist nur darum sich mit den Enttäuschungen abzufinden und die damit
verbundenen negativen Gefühle als unveränderlich zu akzeptieren. Es reicht einfach mehr
Sportsgeist und einen Sinn für funktionale Äquivalente zu entwickeln. Genauso wie man im
Fußball wegen einem verlorenen Spiel noch nicht die komplette Saison aufgeben
muss, bedeutet auch im Leben ein Misserfolg noch nicht das Ende des Lebens.
Enttäuschungen lassen sich aushalten, wenn man weiß, wie man es besser machen
kann. Es wird immer wieder neue Gelegenheiten und andere Möglichkeiten geben
seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, um auf diese Weise auch wieder die
Anerkennung von anderen Personen zu gewinnen.
Durch die
Gestaltung der öffentlichen Bildungseinrichtungen kann auch die Politik ihren Beitrag
leisten ein solches Bewusstsein zu fördern – was jedoch nicht heißt, dass diese
Aufgabe ausschließlich die Politik übernehmen muss. Das gesellschaftliche
Funktionssystem Erziehung hat sich politischen Kalkülen durch operative
Schließung entzogen, was jedoch nicht zwingend ausschließt, dass es trotzdem Versuche der politischen Einflussnahme auf die Erziehung gibt. Nichts desto trotz gilt, Erziehung ist keine exklusive Aufgabe der
Politik. Darüber hinaus macht das soziale Leben wesentlich mehr aus als Macht und Geld.
Schon Georg Simmel hatte in der Moderne die Tendenz beobachtet, dass die Mittel,
die eigentlich zum Erreichen bestimmter Zwecke dienen, selbst zu Zwecken
umgedeutet werden (vgl. 1999 [1916], S. 37ff.). Für die Mittel Macht und Geld
kann diese Tendenz kaum bestritten werden. Bis heute sind wirtschaftliche,
politische oder polit-ökonomische Selbstbeschreibungsangebote für die moderne
Gesellschaft vorherrschend, die – egal ob affirmativ oder kritisch – davon
ausgehen, dass Macht und/oder Geld die einzig relevanten Ziele im Leben wären.
Diese verkürzten Sichtweisen werden kaum den vielfältigen Aspekten des
menschlichen Zusammenlebens gerecht. Daher stellt sich die Frage, ob solche
einseitigen Gesellschaftsbeschreibungen, die immer noch davon ausgehen, dass es
ein dominantes Prinzip gibt, dass alle zwischenmenschlichen Beziehungen
bestimmt, nicht noch Produkte vormoderner Beobachtungsgewohnheiten sind? Diese
Frage bezieht sich auch auf Vorschläge, die in der Ersetzung eines dominanten
Prinzips durch ein anderes die einzige Lösung sehen. Inzwischen gehören diese polit-ökonomischen
Gesellschaftsbeschreibungen jedoch schon zum tradierten
Bildungskanon. Für die gegenwärtig häufig beklagten Entfremdungserfahrungen
stellen solche verkürzten und damit auch verzerrten Sichtweisen auf die moderne
Gesellschaft eine wichtige Rahmenbedingung dar, die zur Verstärkung solcher
Entfremdungserfahrungen beiträgt. Auch bei diesen verkürzten Betrachtungsweisen
der Gesellschaft handelt es sich um Erkenntnishindernisse. Deswegen ist hier die
Gesellschaft und ihre Funktionssysteme sowie die beteiligten Menschen und ihre
Fähigkeiten zur friedlichen Konfliktlösung gefordert, um die Vielfalt des menschlichen Zusammenlebens
bewusst zu machen. Erst ein Bewusstsein für die Vielfalt zwischenmenschlicher Konflikte – dieses Bewusstsein prägt sich erst aus, wenn
man die jeweiligen Konflikte durchgemacht hat bzw. an ihnen beteiligt war –,
schärft zugleich die Wahrnehmung für exkludierende Kommunikationsmuster.
Sind Amok und Terror moderne Phänomene?
Bisher wurden
die Phänomene Amok und Terror nur im Kontext der modernen Gesellschaft bzw. der
Gegenwart betrachtet. Im Zuge dessen habe ich beide als Abwehrreaktionen und
Protestformen gegen moderne Inklusionsmodi beschrieben. Man könnte sie daher
durchaus als moderne Phänomene begreifen, denn ohne die Moderne würde es diese
Protestformen gegen sie auch nicht geben. In einer rein
theoretisch-systematischen Sichtweise kann man das so sehen. Aus einer
historischen Perspektive lässt sich diese Auffassung jedoch nicht halten. So
führt der etymologische Ursprung des Wortes »Amok« zu den Stammesvölkern der
Südsee zurück, die damit bereits die gewalttätige Reaktion eines
Stammesmitglieds auf einen Gesichtsverlust bezeichneten, bei dem der Täter sich
am Ende zumeist selbst tötete. In der hier eröffneten theoretischen Perspektive
erscheinen die heutigen Amokläufe ebenfalls als Reaktion auf einen
Gesichtsverlust. Insofern ist die Bezeichnung »Amok« durchaus passend und macht
zugleich auf die historische Kontinuität dieses Phänomens trotz variabler sozialer
Umstände aufmerksam. Speziell die fehlende sozio-kulturelle Verbindung zwischen
den Stammesgesellschaften der Südsee und der modernen Gesellschaft lässt
vermuten, dass es bestimmte konstante psychologische Entwicklungsmuster gibt,
die durch dieselben sozialen Entwicklungen angeregt werden, auch wenn diese
unterschiedliche historische Formen annehmen.
Terror, die
willkürliche Anwendung von Gewalt, um den eigenen sozialen Status zu festigen,
ist aus historischer Perspektive ebenso wenig ein neues Phänomen – auch wenn
diese Methode nicht immer als Terror bezeichnet wurde. Früher griffen jedoch
weniger einzelne Personen oder exkludierte Gruppen auf Terror zurück, sondern
die etablierten Herrscher. Öffentlichkeitswirksame Massenhinrichtungen sind
spätestens seit dem Römischen Reich als Abschreckungs- und
Einschüchterungsmethode bekannt. Die Französische Revolution stellt insofern
eine Zäsur dar als nun die vormals Unterdrückten zu denselben Methoden griffen. Mit
Hilfe moderner Technologien wurden diese Methoden effektiviert. Dieses Muster
setzte sich mit den großen Ideologien wie Faschismus und Kommunismus fort. Ihre
Führer waren jedoch bemüht diese Herrschaftstechniken unter Ausschluss der
Öffentlichkeit zu perfektionieren. Sie waren sich vermutlich des Widerspruchs
bewusst, dass die guten Absichten, die sie zumindest aus dem Selbstverständnis
heraus verfolgten, nicht so überzeugend waren, dass alle Menschen sich
freiwillig diesen Bewegungen anschlossen. Denn wenn sie es gewesen wären, hätte
man niemanden mit einer Gewaltandrohung zur Gefolgschaft bewegen müssen. Durch
diesen Widerspruch konnten selbst die faschistischen und kommunistischen
Herrscher nicht ignorieren, dass Gewaltanwendung ein Zeichen von Schwäche und Machtlosigkeit
ist und damit im Widerspruch zur öffentlich verbreiteten Selbstdarstellung steht. Auf denselben performativen Widerspruch wird heute bei der Diskussion über den Zusammenhang von Islam und dem islamistischen Terror hingewiesen. Deswegen delegitimierte sich Gewaltanwendung selbst unter Regimen, die
diese Herrschaftstechniken trotzdem nutzten, und mussten sie daher der öffentlichen
Wahrnehmung der eigenen Anhänger entziehen. Dem gegenüber prahlten entsprechende Terrororganisationen, die dieselben Ideen in westlichen Demokratien vertraten, mit ihren Taten in der Öffentlichkeit. Offenbar ist es unter modernen Kommunikationsbedingungen leichter zu seiner Machtlosigkeit zu stehen, wenn man nicht zu den Herrschenden gehört. Terror als
Herrschaftstechnik hat also eine lange Tradition. Gleichwohl hat sie sich selbst delegitmiert, eben weil sie nur die Machtlosigkeit der Herrscher vorführt.
Was sich in der Moderne geändert hat, ist die Selbstbeschreibung einer der beteiligten Parteien. Unter vormodernen Bedingungen standen sich mindestens zwei Parteien gegenüber, die sich beide über unveränderliche Merkmale definierten. Moderne Beschreibungen erkennen dagegen die Veränderlichkeit der Menschen und damit auch die Veränderlichkeit sozialer Strukturen als unveränderliche Prämisse an. Zu den alten Gegnern, die sich über unveränderliche Merkmale definieren, ist also ein neuer Gegner hinzu getreten, der sich über Veränderlichkeit als einzigem unveränderlichen Merkmal definiert. Dadurch ist eine neue Konfliktlinie entstanden, hinter der die alten Konflikte zurücktreten, aber längst nicht beigelegt sind. So wird heute gerne übersehen, dass rechte und linke Ideologien, die sich eigentlich gegenseitig als Gegner betrachten, in ihrer modernisierungskritischen Haltung sehr ähnlich sind. Die Moderne als neuer Gegner eröffnet ungeahnte Koalitionsmöglichkeiten, die erst wieder zerbrechen, wenn der gemeinsame Gegner besiegt wurde. Der Konflikt zwischen beiden dreht sich dann nur noch um die Lösungen für das Exklusionsproblem, aber nicht um das Ziel – Inklusion durch unveränderliche Wesensmerkmale. Obwohl man es dabei mit Residuen vormoderner Semantiken zu tun hat, gibt es immer noch genug Menschen, die solche alten Feindschaften für attraktiv genug halten, um sich in den entsprechenden Konflikten aufzureiben, ohne die formale Gleichheit im jeweils präferierten Gesellschaftsmodell zu erkennen. Für sie zählt nur das unveränderliche Merkmal. Das beste Beispiel dafür ist der rechts-links-Gegensatz, der sich letztlich nur um die Entscheidung dreht, welches unterveränderliche Merkmal zur Basis der Gemeinschaft wird – Rasse oder Klasse (vgl. Plessner 2002 [1924], S. 42ff.). Sie bestimmen die präferierten Lösungen zur Inklusion.
Was sich in der Moderne geändert hat, ist die Selbstbeschreibung einer der beteiligten Parteien. Unter vormodernen Bedingungen standen sich mindestens zwei Parteien gegenüber, die sich beide über unveränderliche Merkmale definierten. Moderne Beschreibungen erkennen dagegen die Veränderlichkeit der Menschen und damit auch die Veränderlichkeit sozialer Strukturen als unveränderliche Prämisse an. Zu den alten Gegnern, die sich über unveränderliche Merkmale definieren, ist also ein neuer Gegner hinzu getreten, der sich über Veränderlichkeit als einzigem unveränderlichen Merkmal definiert. Dadurch ist eine neue Konfliktlinie entstanden, hinter der die alten Konflikte zurücktreten, aber längst nicht beigelegt sind. So wird heute gerne übersehen, dass rechte und linke Ideologien, die sich eigentlich gegenseitig als Gegner betrachten, in ihrer modernisierungskritischen Haltung sehr ähnlich sind. Die Moderne als neuer Gegner eröffnet ungeahnte Koalitionsmöglichkeiten, die erst wieder zerbrechen, wenn der gemeinsame Gegner besiegt wurde. Der Konflikt zwischen beiden dreht sich dann nur noch um die Lösungen für das Exklusionsproblem, aber nicht um das Ziel – Inklusion durch unveränderliche Wesensmerkmale. Obwohl man es dabei mit Residuen vormoderner Semantiken zu tun hat, gibt es immer noch genug Menschen, die solche alten Feindschaften für attraktiv genug halten, um sich in den entsprechenden Konflikten aufzureiben, ohne die formale Gleichheit im jeweils präferierten Gesellschaftsmodell zu erkennen. Für sie zählt nur das unveränderliche Merkmal. Das beste Beispiel dafür ist der rechts-links-Gegensatz, der sich letztlich nur um die Entscheidung dreht, welches unterveränderliche Merkmal zur Basis der Gemeinschaft wird – Rasse oder Klasse (vgl. Plessner 2002 [1924], S. 42ff.). Sie bestimmen die präferierten Lösungen zur Inklusion.
Weder Amok noch
Terror können also als moderne Phänomene betrachtet werden. Das liegt
vermutlich daran, dass es soziale Exklusion und die Angst vor sozialer Exklusion
gibt seit sich Menschen zu Gruppen zusammenschließen. Diese Angst spiegelt sich in wiederkehrenden gewalttätigen Verhaltensmustern wieder. Gemeinschaftsangebote
bieten Lösungen des Inklusionsproblems an, ohne die falschen Erwartungen zu korrigieren. Sie werden stattdessen sozialisiert und verstärkt. Dadurch wird es möglich, dass sich
persönliche und egozentrische Schemata zur Beobachtung zwischenmenschlicher
Beziehungen zu einer Gemeinschaftsperspektive entwickeln. Doch auch die Bildung
von Gemeinschaften ist nur eine Möglichkeit mit dem Problem der ständig
drohenden Exklusion umzugehen. Gemeinschaftszugehörigkeit löst dieses Problem
nur scheinbar dauerhaft. Spätestens wenn es zu unüberwindlichen Differenzen
zwischen den Mitgliedern untereinander kommt, kann sich die Gemeinschaft nur
noch gewaltsam zusammenhalten. In diesem Moment zeigt sich das eigentlich verbindende Element einer Gemeinschaft,
nämlich das Ressentiment gegen
abweichende Lebensstile, das sich nun auch nach innen richtet. Verstöße
gegen gemeinschaftliche Erwartungen sind zugleich persönliche Beleidigungen
ihrer Mitglieder. Entsprechend intensiv ist der Widerstand gegen solche
Enttäuschungen. Somit sind auch die Inklusionsmodi solcher Gemeinschaften exklusiv. Dieser Aspekt zeigt sich erst
bei inneren Konflikten.
Symbolische Gewalt
Bisher lag der
Fokus auf physischer Gewalt als Lösung für die ständige Exklusionsgefahr. Gleichwohl
sind Amok und Terror nicht die einzigen Lösungen für Anschlussprobleme. Eine
weitere Lösungsmöglichkeit besteht in dem, was als symbolische Gewalt
bezeichnet wird. Nicht jede Protestbewegung, die ihre Identität auf einer
Position oder auf dem Gefühl der Unterlegenheit gründet, greift zum Mittel der
physischen Gewalt. Symbolische Gewalt hat nicht die physische Schädigung oder
Vernichtung des Gegners zum Ziel, sondern nur die soziale Schädigung einer
Person oder Gruppe mit dem Ziel ihrer Exklusion. Dies gelingt über abwertende,
beleidigende oder diffamierende Kommunikationsformen, welche deswegen hier als symbolische
Gewalt bezeichnet werden soll. Es handelt sich, mit anderen Worten, um Angriffe auf das Image einer Person oder
einer Gruppe. Auch hier kommt wieder der Psychoterror zum Tragen. Wenn es
egal ist, was man tut, man z. B. immer als »Ausländer« oder auch als »Rassist«
beschimpft wird, dann wird das Verhalten der Beschimpften in Bezug auf die
Personen, die diese Zuschreibungen vornehmen, ebenfalls sinnlos. Man kann
machen, was man will, man bleibt ein Ausländer oder ein Rassist. Die
Betroffenen werden lediglich in eine Ecke gestellt und lässt sie aus dieser
Ecke, egal wie sie sich verhalten, nicht mehr heraus. Die Betroffenen werden gleichsam
zu Objekten gemacht.
Viele Protestbewegungen, die sich für moralisch gute Anliegen einsetzen, wie gegen Diskriminierung oder Unterdrückung vorzugehen, haben nicht verstanden, dass sie durch ihre Form des Protests genau die problematischen Exklusionsmuster reproduzieren, die sie an anderen kritisieren. Die Kritisierten wird dies nicht zu einer Änderung ihrer Einstellung oder ihres Verhaltens veranlassen. Denn was die Kritiker vorführen ist die Kontingenz bzw. Austauschbarkeit der Inhalte und die scheinbare Notwendigkeit der Form diese mitzuteilen. Die Form der Kritik liefert den Kritisierten daher das beste Argument sich nicht zu ändern, denn die Änderung könnte dann ja nur darin bestehen, den Kritikern Recht zu geben und ihre Position zu übernehmen. Diese Option kommt aber nicht in Betracht, wenn man das genaue Gegenteil vertritt. Mit der diskriminierenden Form ihrer Kritik liefern sich die Gegner also wechselseitig die Gründe auf der eigenen Position zu beharren. Alles andere müssten sie als Gesichtsverlust, wenn nicht sogar als Verrat an sich selbst betrachten, denn egal wer als Sieger aus der Auseinandersetzung hervorgehen würde, es sähe so aus als hätte er den Willen des Verlierers gebrochen. Auf denselben Sachverhalt ist diese Untersuchung bereits bei Auseinandersetzungen mit physischer Gewalt gestoßen.
Viele Protestbewegungen, die sich für moralisch gute Anliegen einsetzen, wie gegen Diskriminierung oder Unterdrückung vorzugehen, haben nicht verstanden, dass sie durch ihre Form des Protests genau die problematischen Exklusionsmuster reproduzieren, die sie an anderen kritisieren. Die Kritisierten wird dies nicht zu einer Änderung ihrer Einstellung oder ihres Verhaltens veranlassen. Denn was die Kritiker vorführen ist die Kontingenz bzw. Austauschbarkeit der Inhalte und die scheinbare Notwendigkeit der Form diese mitzuteilen. Die Form der Kritik liefert den Kritisierten daher das beste Argument sich nicht zu ändern, denn die Änderung könnte dann ja nur darin bestehen, den Kritikern Recht zu geben und ihre Position zu übernehmen. Diese Option kommt aber nicht in Betracht, wenn man das genaue Gegenteil vertritt. Mit der diskriminierenden Form ihrer Kritik liefern sich die Gegner also wechselseitig die Gründe auf der eigenen Position zu beharren. Alles andere müssten sie als Gesichtsverlust, wenn nicht sogar als Verrat an sich selbst betrachten, denn egal wer als Sieger aus der Auseinandersetzung hervorgehen würde, es sähe so aus als hätte er den Willen des Verlierers gebrochen. Auf denselben Sachverhalt ist diese Untersuchung bereits bei Auseinandersetzungen mit physischer Gewalt gestoßen.
Es stellt sich
die Frage, warum nicht jede Protestbewegung bereit ist, bis zum Äußersten, dem
Einsatz von Gewalt, zu gehen? Hier kommt wieder der bereits angesprochene
Widerspruch zum Tragen, dass eine gute Sache zumindest theoretisch alle
Menschen überzeugen sollte, es aber offensichtlich nicht tut. Neben Gewalt als
Motivationsanreiz gibt es noch die Möglichkeit die gewaltlosen Überzeugungsversuche
zu intensivieren, in dem die gute Absicht umso stärker hervorgehoben wird. Je
weniger Menschen sich aber trotzdem überzeugen lassen, desto größer ist dann
wiederum die Versuchung zu gewaltsamen Mitteln zu greifen, um die
Menschen gleichsam zu ihrem Glück zu zwingen. Vor dem Einsatz physischer Gewalt
kommt zunächst symbolische Gewalt zum Einsatz. Die gute Absicht als
Legitimationsstrategie stellt dabei eine besonders hinterhältige Falle dar.
Denn wer wagt es schon gegen eine gute Absicht zu sein. Wer es trotzdem wagt,
lässt sich dann umso besser öffentlich als moralisch verwerflich darstellen. An
diesem Punkt setzt dann die symbolische Gewalt ein und generalisiert sofort von
einer Handlung auf die ganze Person.
Ein Beispiel für
diese Vorgehensweise ist die moralisch aufgeladene Semantik der Menschlichkeit. Von allen trennenden Merkmalen, wie
biologische, geographische oder standesmäßige Herkunft gereinigt, wird das Mensch-Sein selbst zu einem
unveränderlichen gemeinschaftsstiftenden Merkmal. Die ganze Menschheit lässt
sich auf diese Weise als eine Gemeinschaft – wenn man so will als eine
Weltgemeinschaft – imaginieren. Das zugrunde liegende Menschenbild sieht jedoch
vom tatsächlichen Verhalten der Menschen ab und findet das gemeinsame Merkmal in
der reinen physischen Existenz, also in ihrer Körperlichkeit. Doch gerade ein solches Menschbild macht die
Menschen blind für das was sie zu Personen macht, nämlich ihr Erleben und
Handeln. Es konstruiert die Menschen nicht als lebendige Wesen, sondern als passive Objekte oder als triebgesteuerte Maschinen, denen schon aus ihrer
puren physischen Existenz bestimmte Anrechte zustehen würden. Das daran
anschließende Verständnis der Menschenrechte, versteht Rechte nicht mehr als
etwas, was Handlungsfreiheiten definiert, die man selbst aktiv ausfüllen muss,
sondern als etwas, was einem zustehen würde, wofür man gerade nichts weiter tun
muss. Weil die Rede von »dem Menschen« sich nur auf den kleinsten gemeinsamen
Nenner aller Menschen bezieht, liegt darin zugleich das größte Konfliktpotential. Denn sobald
es über die physische Unversehrtheit hinausgeht, ist völlig unklar, was dies
für das Zusammenleben der Menschen eigentlich bedeutet.
Zwei Variablen
verdienen bei der Evolution der Menschlichkeitssemantik besondere Beachtung.
Das ist zum einen wie die Beziehung der
einzelnen Menschen zur Bezugsgruppe bestimmt wird und zum anderen die Einstellung zu gesellschaftlichen
Veränderungen. Hinsichtlich der Beziehung der einzelnen Menschen zur
Bezugsgruppe lässt sich eine ideengeschichtliche Kontinuität bis in die Antike
zurückverfolgen. Der sogenannte Eudaimonismus
(vgl. Gehlen 2004 [1969]) begriff die Menschen nur in seiner Stellung zu einer
Gemeinschaft, also nur als Mitglieder
und nicht als Personen. Da die
Gemeinschaft nur in ihrem Zustand und
nicht in ihrer Entwicklung gesehen
wurde, konnten auch die Menschen nur in Bezug auf ihre Funktion zur Erhaltung
dieses Zustands, der universelle Glücksseligkeit versprach, verstanden werden,
d. h. als unveränderlich in Bezug auf diese Gemeinschaft. Veränderungen waren
nur in so weit denkbar, wenn es darum geht den Mitgliedsanforderungen zu
entsprechen. Eng damit zusammen hängt ein Kulturpessimismus,
der jegliche Art der gesellschaftlichen Veränderung nur als Verfall einer
vormals besseren, idealen Ordnung betrachten kann. Häufig wird darüber hinaus
die als ideal imaginierte Vergangenheit im Angesicht einer unerträglichen
Gegenwart gleichsam als eine Art Utopia in die Zukunft projiziert [10]. Dies
macht verständlich wieso sich konservative und reaktionäre Bewegungen linker
und rechter Couleur trotzdem als fortschrittlich betrachten konnten. Bei den
islamistischen Bewegungen taucht dieses Muster ebenfalls wieder auf. Ihr
Zukunftsprojekt besteht ebenfalls darin eine als ideal gedachte und
verlorengegangene Ordnung wiederherzustellen.
Die
Unveränderlichkeit der Menschen leitet sich aus der Unveränderlichkeit der als
ideal gedachten sozialen Ordnung ab. Das Menschenbild und die ablehnende
Einstellung zu gesellschaftlichen Veränderungen macht es schließlich möglich
dass Bewegungen, die sich aus solchen Ideen speisen, sich als Opfer externer
Mächte stilisieren können. Neben der Idee
des Verfalls der idealen Ordnung, der aufgehalten werden muss, wird die Idee der Fremdbestimmung hinsichtlich
der Beziehung zur Umwelt zu einem dominanten Thema, egal ob in Bezug auf die
Gemeinschaft oder ihrer Mitglieder. Dieser Eindruck der Fremdbestimmung lässt sich
durch das Beharren auf der eigenen Unveränderlichkeit nachvollziehen, denn dann
wird man durch die Prozesse der Umwelt unter Veränderungsdruck gesetzt. Zusammengenommen
entsteht daraus eine regressive Narration
bzw. Selbstbeschreibung (vgl. De Shazer 2009 [1991], S. 110f.), die wenn sie
handlungsleitend wird, zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung wird.
Ein weiteres Beispiel
für Protest durch symbolische Gewalt ist die
postmoderne Bewegung, die Gemeinschaftlichkeit durch das Verzweifeln an
moderner Komplexität herstellt. Das autoaggressive Moment zeigt sich bei ihr in
der Tendenz sich verrückt zu machen. Der Mensch wird nur noch als Opfer von
anonymen und unerreichbaren Kräften in der Welt gesehen, denen er hilflos
ausgeliefert ist. Gegen diese Kräfte kann man sich nicht wehren – was auch
heißt, man kann sie nicht verändern –, sondern man kann sich ihnen nur verweigern.
Auch hierbei handelt es sich um eine regressive Narration. Dies wird u. a.
durch pseudo-wissenschaftliche Thesen, wie der Zerstörung des Wissens, oder
universell anwendbare politische Theorien gestützt [11]. Verrückt machen dann aber
nicht die realen Zustände, sondern zunächst einmal nur die Vorstellung bzw. der
Glaube, dass die realen Zustände verrückt machen würden.
Pseudo-wissenschaftlich sind diese Legitimationsstrategien – auch wenn sie sich
auf wissenschaftliche Theorien berufen –, weil sie bestimmte, durchaus
realistische Möglichkeiten zu zwangläufig eintretenden Schicksalen umdeuten. Potentiell
mögliche Ereignisse werden dann als gleichsam zwangsläufig eintretende
Ereignisse wahrgenommen. Durch diese selektive Rezeption der Ergebnisse
wissenschaftlicher Forschung können dann entweder Erlösungs- oder
Untergangsszenarien entworfen werden. Die verrückte Wendung der Postmoderne
besteht darin, dass sie im Untergang die Erlösung sieht. In jedem Fall wird die
Offenheit und Ungewissheit der Zukunft durch ein mechanistisches Deutungsschema
zur beunruhigenden Gewissheit [12].
Die postmoderne
Bewegung ist letztlich nur das Opfer ihrer eigenen zu einfach gestrickten
Deutungsschemata. Das liegt auch daran, dass es sich bei der postmodernen
Bewegung um eine Art Laiendiskurs
handelt. Mit unterkomplexen Deutungsschemata wird versucht zu komplexe
Sachverhalte zu verstehen. Letztlich wird versucht moderne Probleme mit
vormodernen Mitteln zu verstehen. Die häufig beklagte Überforderung ist
letztlich nur ein Ergebnis dieses Komplexitätsgefälles an dem sich der
Unterschied zwischen Laien und Experten auskatalysiert. Exemplarisch sei dafür
auf die postmoderne Rezeption der modernen Epistemologie verwiesen. Relativität
wurde als Relativismus missverstanden. Da der postmoderne Relativismus keinen
Halt mehr in sich selbst finden kann, weil er sich aller Entscheidungskriterien
entledigt hat, wird Subjektivität bzw. Egozentrismus zum letzten epistemologischen
Haltepunkt, der ironischerweise zugleich als gemeinschaftsbegründendes Moment
dient. Auch die Diskussion über soziale Hybridität ist im Fahrwasser postmoderner Epistemologie entstanden. Aus dieser egozentrischen Epistemologie wird verständlich, wieso postmoderne Diskurse sehr emotional und
persönlich geführt werden. Unwissenheit macht gleichgültig und aggressiv. Argumente werden durch
persönliche Befindlichkeiten und Geschmack als Anschlussattraktoren ersetzt,
die sich nicht mit Argumenten rechtfertigen lassen. Sicherheit und Zugehörigkeit
lassen sich dann nur noch über den Ausdruck gefühligen Wohlwollens herstellen.
Kulturgeschichtlich muss man dies wohl schon als eine regressive Entwicklung
betrachten [13].
Kognitiv und
emotional gegen jegliche Irritationen immunisiert, lassen sich dann mit den
vermeintlichen Gegnern umso besser etwas spielen, was Mara Selvini Palazzoli et
al. als psychotische Spiele
bezeichnen (vgl. 1992 [1988]). Amok und Terror sind aus dieser Perspektive
Spielzüge im Kampf um Beachtung und Anerkennung. Nicht nur Krieg ist die
Fortsetzung der Politik mit anderen, gewaltsamen Mitteln. Dies gilt ebenso für
psychotische Spiele, sobald sie außerhalb der Familie fortgesetzt werden. Auch sie sind die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln – in Friedenszeiten. Das
Mittel ist in diesem Fall symbolische Gewalt. Die postmoderne
Selbstpathologisierung wird als Vorwand benutzt, um eine moralische Anklage
gegen diejenigen Personen vorzubringen, die es geschafft haben ihre Probleme
selbst zu lösen. Aus der eigenen Lernunwilligkeit wird der Vorwurf abgeleitet,
dass die vorhandenen Hilfsangebote nicht funktionieren und sie daher nur eine
Herrschaftstechnik sein können, um die Menschen zu unterdrücken und
auszubeuten. Die wahrgenommene Sinnlosigkeit der Hilfsangebote rechtfertigt
dann jede noch so infantile Provokation und Beleidigung.
Die Tragik
solcher Spielzüge besteht darin, dass man sie zwar nicht ignorieren kann, man
kann sie aber als akzeptable Spielzüge ebenso wenig akzeptieren. Auch wenn es so
gut wie unmöglich ist, so etwas vorsätzlich zu planen, sieht es doch so aus,
als würde damit versucht durch den Verzicht auf physische Gewalt, wenn man so
sagen darf, unterhalb des staatlichen Radars zu fliegen. Stattdessen werden die
zwischenmenschlichen Beziehungen vergiftet, indem man alles, auch jede noch so
bedeutungslose persönliche Lebensentscheidung, als politische begreift. Das bedeutet die
Freund-Feind-Unterscheidung wird auf jede zwischenmenschliche Beziehung
angewendet und wer anderer Ansicht ist, wird automatisch zum Feind – wenn auch
eher gefühlt als bewusst zugeschrieben. Abwehr und Protest werden durch das so
geschaffene wechselseitige Misstrauen zu einer Art automatischem Reflex. Als
Kommunikationsereignis wird damit aber nur die Verweigerung zur
Kommunikationsbeteiligung mitgeteilt. Man könnte auch sagen, es handelt sich um
Kommunikationsverweigerungskommunikation.
Darin liegt dann wieder die soziale Funktion aller Protestformen gegen moderne
Inklusionsmodi, egal ob Amok, Terror oder die diversen Formen symbolischer
Gewalt. Die Protestformen, die nicht auf physische Gewalt setzen, sind nur
wesentlich schwerer als mitgeteilte Verweigerung, was zugleich die Ablehnung
des Kommunikationspartners impliziert, zu erkennen, weil sie zugleich eine Form
der Kommunikationsbeteiligung sind.
Sind psychische Störungen eine mögliche
Erklärung?
Wenn ich Amok
und Terror als psychotische Spiele beschreibe, könnte der Eindruck entstehen,
dass es darum geht Amokläufer und Terroristen lediglich als psychisch gestört
zu beschreiben. Durch die sozialpsychologische Argumentation wird eine solche
Lesart durchaus nahegelegt. Vergleicht man Gemeinschaftsbeschreibungen, die auf
einem unveränderlichen Merkmal gründen, dann ähneln diese in ihrer Struktur –
oder besser in ihrer Konstruktionsweise, also der Verknüpfung bestimmter Vorstellungen und Erwartungen – psychotischen Wahrnehmungen. Rekonstruiert
man den aus der Gemeinschaftsbeschreibung abgeleiteten Mitgliedsstatus der beteiligten
Personen, dann handelt es sich aufgrund des dominanten, unveränderlichen
Merkmals um eine Petrifikation bzw. Depersonalisierung (vgl. Laing 1976
[1960], S. 39f.). Das unveränderliche Merkmal beschränkt die Mitglieder zwar
nicht vollständig in ihrer Handlungsautonomie. Diese stößt aber an Grenzen
sobald Mitglieder als Personen beobachtbar werden. Personen unterscheiden sich
von Mitgliedern und stellen auf diese Weise die Gemeinschaft und alle ihre
Mitglieder infrage. Innerhalb der Gemeinschaft und sogar zwischen
Gemeinschaften, die sich über unveränderliche Merkmale definieren, wird diese
Konsequenz wahrscheinlich nicht weiter auffallen, denn sie kennen nur
Mitglieder. Insofern werden auch die daran anschließenden Exklusionsversuche
nicht als problematisch betrachtet. Verändern sich jedoch die
Umweltbedingungen, z. B. dadurch, dass Veränderlichkeit selbst zum dominanten
Attribut der gesellschaftlichen Selbstbeschreibung wird, muss eine Person, die
ihr Handeln an einem unveränderlichen Merkmal orientiert, als Abweichung
auffallen. Das Problem dabei ist weniger das unveränderliche Merkmal, sondern
das Handeln, das dadurch motiviert wird – speziell wenn es zu physischer und
symbolischer Gewalt gegen andere Personen führt. Nicht die psychische Störung
ist das soziale Problem, sondern das daraus folgende gewalttätige Verhalten. Nicht
jede psychische Störung, sofern man darunter eine verzerrte Wahrnehmung
versteht, führt zwangsläufig zu gewalttätigem Verhalten. Insofern könnte man
zwar sagen, dass Amokläufer und Terroristen psychisch gestört sind. Als
Erklärung reicht das aber nicht aus, da es noch nicht das gewalttätige
Verhalten erklärt. Auch das unveränderliche Attribut in der Selbstbeschreibung
liefert nur den Ansatzpunkt der Analyse, aber noch keine hinreichende Erklärung.
Darüber hinaus muss geklärt werden, wie dieses unveränderliche Merkmal die wahrgenommenen
Handlungsoptionen einschränkt und welche dadurch noch übrig bleiben. Dies gilt
für die Analyse der Selbstbeschreibungen von Personen, Organisationen und
Gesellschaften gleichermaßen.
Bei dem Massenmord in
Charleston am 17.06.2015 wurde das Erklärungsmuster psychische Störung herangezogen
und erregte sofort Einspruch,
da der Täter Dylann Roof sich auf rassistische Motive berief. Besonders dieser
Fall veranschaulicht, wie genau man heute hinschauen muss, um beurteilen zu
können, ob es sich bei dieser Tat um einen Terrorakt oder einen Amoklauf
handelt. Aufgrund der Tatsache, dass der Täter sich nicht selbst umgebracht hat
und freimütig Rassismus als Motiv angibt, scheint es sich relativ klar um einen
Terrorakt zu handeln. Gleichwohl ergeben sich schon aus den spärlichen
Informationen zu dem Täter Zweifel, ob diese Deutung angemessen ist. Sicherlich
sind rassistische Vorurteile weit verbreitet. Nach derzeitigem Kenntnisstand
war der Täter jedoch kein Mitglied einer rassistischen Vereinigung. Er
unterfütterte seine Vorurteile lediglich durch Informationen, die er aus dem
Internet bezog. Er hatte jedoch keine Bezugsgruppe, in der diese Vorurteile
irgendeine Handlungsrelevanz gehabt hätten, um die Anerkennung von anderen
Personen zu gewinnen. Vielmehr war er sozial sehr stark isoliert.
Berücksichtigt man diesen Sachverhalt, müsste man seine rassistische
Einstellung als illusionär oder psychotisch betrachten. Sie diente lediglich
dazu, sich selbst das eigene Versagen zu erklären, in dem anderen Personen
dafür die Schuld gegeben wird. Für sein alltägliches Verhalten, im Sinne von
aggressivem oder gewalttätigem Verhalten, hatte sie aber zunächst keine
Relevanz. Dann wäre Dylann Roof mit seiner Tat als Vertreter einer Gruppe in
Erscheinung getreten, die es faktisch nicht gibt. Eine rassistische Einstellung
allein begründet aber noch nicht die Zugehörigkeit zu irgendeiner Gruppe.
Daher könnte man wohl in diesem Fall mit einiger Berechtigung von
privatistischem Terror sprechen. Darüber hinaus ergibt sich jedoch der
Verdacht, dass es sich bei der Tat um den verzweifelten Versuch handelte
endlich die ersehnte Anerkennung von den Personen oder Gruppen zu gewinnen, in
deren Sinne er glaubte zu handeln. Obgleich es sich bei der Tat offensichtlich
nicht um einen Amoklauf gehandelt hat, ergeben sich nach dieser Überlegung
Zweifel, ob man diese Tat dann noch als Terroranschlag betrachten kann. Auch
wenn sich der Täter auf ein sozial weit verbreitetes Deutungsmuster beruft,
muss dieses Muster bei Berücksichtigung der konkreten Situation des Täters als
hoch illusionär betrachtet werden. Dann hätte eine psychische Störung als Teil
der Erklärung für die Tat doch wieder ihre Berechtigung. Die Unterscheidung von
Amok und Terror wird allerdings gesprengt, denn die Tat war streng genommen keines
von beidem.
Der Fall Dylann
Roof stellt die Unterscheidung von Amok und Terror jedoch nicht infrage, sondern
macht nur auf die Grenzen dieser Unterscheidung aufmerksam. Denn die Annahme,
von der aus versucht wurde Amok und Terror zu verstehen, wurde auch durch
diesen Fall bestätigt. Es ging nicht primär um den Ausdruck von rassistischen
Vorurteilen, sondern um die Anschlussfähigkeit der Person. Im Fall von Dylann
Roof ging es aber nicht darum sein Gesicht zu wahren und es ging nur
augenscheinlich um die Mitteilung einer politischen Forderung. Möglicherweise
ging es nur darum mit dieser Tat die Aufmerksamkeit und Anerkennung von
bestimmten Personen zu erlangen – Personen, die für Roof offenbar eine
plausible Erklärung für seine Situation anboten, zu denen er aber bisher keinen
persönlichen Kontakt hatte. Vereinfacht aus gedrückt, er hat versucht auf diese
Weise Aufmerksamkeit zu erregen, um Anschluss zu finden.
Die funktionale
Differenzierung der modernen Gesellschaft vermehrt die Inklusionsmöglichkeiten
und wirkt auf diese Weise der Versuchung entgegen, seine Interessen mit Gewalt
durchzusetzen. Je mehr gewaltlose Inklusionsmöglichkeiten es gibt, desto
schwerer wird es Gewalt zu legitimieren. Und desto leichter wird der Einsatz
von Gewalt als persönliche Entscheidung beobachtbar. Dies ändert sich auch
nicht, wenn die persönlichen Motive sozial anschlussfähig werden und sich zu
Gemeinschaftsmotiven verstärken. Insofern ist es müßig darüber zu diskutieren,
ob die Ursache für die Tat von Dylann Roof Rassismus oder eine psychische
Störung war. Der Unterschied zwischen einer menschenverachtenden Ideologie und einer Psychose liegt womöglich nur in der Anzahl der Personen, die sie teilen.
Der Schlüssel zum Verständnis dessen, was vorgefallen ist, liegt in dem Problem persönlicher Anschlussfähigkeit. Davon ausgehend ist zu klären, wie die Unveränderlichkeit eines Attributs und dessen dominante Rolle das Erleben und Handeln des Täters beeinflusst. Egal ob sich eine solche Selbstbeschreibung auf Personen oder Gruppen bezieht, es handelt sich in jedem Fall um eine Selbst-Petrifikation. Je nachdem mit welcher Radikalität auf der Unveränderbarkeit bestanden wird, kann es tödliche Konsequenzen für andere Personen haben, für die diese Selbstbeschreibung nicht bindend ist. Durch jegliche Gewalt wird letztlich versucht die Autonomie der Opfer zu negieren und sie dadurch vollständig zu verdinglichen. Gewalt als Versuch die Opfer zu petrifizieren, ist nur die Folge dieser Selbstpetrifikation durch ein unveränderliches Merkmal.
Der Schlüssel zum Verständnis dessen, was vorgefallen ist, liegt in dem Problem persönlicher Anschlussfähigkeit. Davon ausgehend ist zu klären, wie die Unveränderlichkeit eines Attributs und dessen dominante Rolle das Erleben und Handeln des Täters beeinflusst. Egal ob sich eine solche Selbstbeschreibung auf Personen oder Gruppen bezieht, es handelt sich in jedem Fall um eine Selbst-Petrifikation. Je nachdem mit welcher Radikalität auf der Unveränderbarkeit bestanden wird, kann es tödliche Konsequenzen für andere Personen haben, für die diese Selbstbeschreibung nicht bindend ist. Durch jegliche Gewalt wird letztlich versucht die Autonomie der Opfer zu negieren und sie dadurch vollständig zu verdinglichen. Gewalt als Versuch die Opfer zu petrifizieren, ist nur die Folge dieser Selbstpetrifikation durch ein unveränderliches Merkmal.
Zusammenfassung
Ich habe mich in
diesem Beitrag nur mit den zwei aufsehenerregendsten Lösungen für das Exklusionsrisiko beschäftigt, die sich durch ihren öffentlichkeitswirksamen
Einsatz von Gewalt auszeichnen. Durch die Berücksichtigung der persönlichen
Beteiligungsgeschichte, die aber primär als Exklusions- bzw. Integrationsgeschichte
erzählt werden kann, wenn man davon ausgeht, dass Exklusionen stärker
integrieren als Inklusionen (vgl. Luhmann 1997, S. 631f.), werden auch die
fließenden Übergänge berücksichtigt ohne jedoch die politische Dimension dieser
Phänomene zu verkennen. Auf diese Weise lässt sich die Unterscheidung sowohl
soziologisch als auch politisch fruchtbar machen. Die Konzentration auf Amok
und Terror ermöglichte es die allgemeinen Muster in den korrespondierenden
sozialen und psychischen Entwicklungen zu beschreiben, die jedoch im Einzelfall
immer noch sehr unterschiedliche Formen annehmen können. Es hat sich gezeigt,
dass die Unterscheidung von Amok und Terror nur sinnvoll getroffen werden kann,
wenn man die Vorgeschichte der Täter berücksichtigt. Durch die Unterscheidung verschiedener
Formen von Gewalteinsatz wird darüber hinaus ein fließendes Kontinuum eröffnet.
Es wurde nicht nur eine Theorie über Amok und Terror vorgestellt, sondern eine
allgemeine Theorie der Gewalt. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass die
Anwendung von physischer Gewalt nur der extremste Versuch ist, das Problem
persönlicher Anschlussfähigkeit zu lösen. Bewegt man sich auf die Mitte dieses
Kontinuums zu, so kommen auch die Formen symbolischer Gewalt in den Blick, wenn
man darunter abwertende Verhaltensweisen, wie persönliche Schuldzuweisungen
oder Beleidigungen, versteht. Die Ablehnung anderer Personen dient der
Aufwertung des Selbst. Ich habe dabei vor allem die gewaltlosen Formen diverser
radikaler Protestbewegungen, egal welcher politischen Richtung, im Blick. Doch
auch diverse Phänomene, bei denen nicht die Politik der Adressat ist, kommen
dabei in den Blick, wie Stalking, Mobbing oder Trollen [14].
Streng systemtheoretisch betrachtet, handelt es sich bei Amok und Terror um Ereignisse im symbolisch generalisierten Kommunikationsmedium Macht. Jedes Ereignis in diesem Kommunikationsmedium reproduziert die Differenz von machtüberlegen und machtunterlegen. Da Amok und Terror das Drohpotential fehlt, reproduzieren sie Formen der Machtunterlegenheit und schließen damit auf der Außenseite der Politik an. Sie informieren nur über die Machtlosigkeit der Täter. Weil die Politik diesen Ereignissen ebenso machtlos gegenübersteht, bleiben sie irrelevant, eine politische Anomalie. Es sind Meldungen aus Exklusionsräumen, in denen Menschen nur noch unter dem Gesichtspunkt der Körperlichkeit relevant werden - im Falle von Gewalt unter dem Gesichtspunkt der physischen Vernichtung. Bei Amok und Terror handelt es sich daher nicht um soziale Systeme, denn sie reproduzieren weder die Differenz von anwesend/abwesend noch die von Mitglied/Nicht-Mitglied, noch die von machtüberlegen/machtunterlegen, sondern allenfalls die von Desintergration/Integration. Amokläufer und Terroristen sind in ihren Handlungsmöglichkeiten so stark eingeschränkt, dass ihnen nur Gewalt als letztes Mittel bleibt. In diesem Sinne sind sie zu stark integriert. Als Protestformen bleiben Amokläufe und Terroranschläge singuläre Ereignisse ohne Systembildungspotential – was jedoch nicht bedeutet, dass sie auf einige Personen nicht eine gewisse Faszination ausüben können, die zur Nachahmung einlädt.
Streng systemtheoretisch betrachtet, handelt es sich bei Amok und Terror um Ereignisse im symbolisch generalisierten Kommunikationsmedium Macht. Jedes Ereignis in diesem Kommunikationsmedium reproduziert die Differenz von machtüberlegen und machtunterlegen. Da Amok und Terror das Drohpotential fehlt, reproduzieren sie Formen der Machtunterlegenheit und schließen damit auf der Außenseite der Politik an. Sie informieren nur über die Machtlosigkeit der Täter. Weil die Politik diesen Ereignissen ebenso machtlos gegenübersteht, bleiben sie irrelevant, eine politische Anomalie. Es sind Meldungen aus Exklusionsräumen, in denen Menschen nur noch unter dem Gesichtspunkt der Körperlichkeit relevant werden - im Falle von Gewalt unter dem Gesichtspunkt der physischen Vernichtung. Bei Amok und Terror handelt es sich daher nicht um soziale Systeme, denn sie reproduzieren weder die Differenz von anwesend/abwesend noch die von Mitglied/Nicht-Mitglied, noch die von machtüberlegen/machtunterlegen, sondern allenfalls die von Desintergration/Integration. Amokläufer und Terroristen sind in ihren Handlungsmöglichkeiten so stark eingeschränkt, dass ihnen nur Gewalt als letztes Mittel bleibt. In diesem Sinne sind sie zu stark integriert. Als Protestformen bleiben Amokläufe und Terroranschläge singuläre Ereignisse ohne Systembildungspotential – was jedoch nicht bedeutet, dass sie auf einige Personen nicht eine gewisse Faszination ausüben können, die zur Nachahmung einlädt.
Mit den Ausführungen
über symbolische Gewalt habe ich versucht zu zeigen, dass der Beobachtungshorizont,
der hier aufgespannt wird, weit über die Phänomene Amok und Terror hinausgeht.
Der Einsatz symbolischer Gewalt kann den Einstieg für einen
Radikalisierungsprozess darstellen. Die Radikalisierung bis zur Akzeptanz
physischer Gewalt ist jedoch keine automatische oder zwangsläufige Entwicklung.
An den Beispielen Amok und Terror lässt sich der Zusammenhang zwischen sozialer Exklusion und der Neigung zu gewalttätigem Verhalten am
deutlichsten herausarbeiten. Die Erweiterung des Beobachtungshorizonts gelingt
jedoch nicht, wenn man sich von der binären Struktur einer Unterscheidung
verwirren lässt, sondern mit der Unterscheidung beobachtet und die verwendeten
Begriffe differenziert, damit präzisiert und in einen allgemeineren
theoretischen Rahmen stellt. Erst dann lassen sich allgemeinere Muster beobachten, die sich dann in Phänomenen wieder finden lassen, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Mit einer einzigen Unterscheidung kann man solche Muster weder beschreiben noch erklären.
Ein offenes Problem: die unkritische Akzeptanz jeglicher Protestformen
Bei dem Versuch
zwischen Amok und Terror zu unterscheiden, ist diese Untersuchung auf den
Sachverhalt gestoßen, dass es formale Gemeinsamkeiten in den Konstruktionen von
psychotischen Beobachtungsmodi und den Beobachtungsmodi von Protestbewegungen
gibt. Dass dieser Sachverhalt als methodisches Problem noch nicht stärker in den
sozialwissenschaftlichen Fokus gerückt ist, liegt möglicherweise an der nach
wie vor bestehenden Fächertrennung zwischen Soziologie und Psychologie. Da es
sich bei persönlicher Anschlussfähigkeit aber nicht nur um ein
wissenschaftliches, sondern um ein gesellschaftliches Problem handelt, stellt
sich die Frage, ob es für die Untersuchung solcher Probleme noch berechtigt
ist, auf dieser Trennung zu beharren? Oder handelt es sich bei dem Beharren auf
dieser Trennung vielleicht selbst schon um ein psychotisches Spiel? Es hat den
Anschein als hätte sich der Gegensatz zwischen Kollektiv und Individuum in
dieser Fächertrennung verfestigt. Geht man jedoch von der zwischenmenschlichen
Dyade als theoretischen Bezugspunkt bzw. als Kommunikationsmodell aus [15],
wird der Gegensatz zwischen Kollektiv und Individuum selbst als ideologischer
beobachtbar. Damit soll nicht bestritten werden, dass es immer wieder zu
Konflikten kommt, die durch diesen Gegensatz strukturiert werden. Bestritten
wird lediglich die Geltung von Gemeinschaftsentwürfen, bei denen Menschen nur
als Mitglieder exklusiver Kollektive vorstellbar sind und diese Kollektive
gleichsam als existentielle Bedingung für das menschliche Leben gedacht werden.
Zumindest in der Soziologie sind immer noch diverse Theorieangebote verbreitet,
die sich an einem scheinbar wissenschaftlichen Entwurf solcher exklusiven
Gemeinschaftsmodelle versuchen und auch nach politischer Anschlussfähigkeit streben.
Weniger ambitionierte Versuche beschränken sich darauf ihre misanthropischen
Ressentiments in die Form einer wissenschaftlichen Theorie zu bringen. Aufgrund
der dadurch ausgedrückten Ablehnung müssen solche Versuche bereits als
symbolische Gewalt betrachtet werden. Ähnlich wie politische Ideologien leisten sie damit einen nicht
unerheblichen Beitrag zur Verstärkung von Radikalisierungstendenzen. Der Besuch eines sozialwissenschaftlichen Seminars kann in dieser Hinsicht einen ähnlichen Effekt haben, wie ein Gefängnisaufenthalt. Wenn sozial- und geisteswissenschaftliche Seminare als
funktionale Äquivalente zu Gefängnissen beobachtbar werden, wird die Frage nach der gesellschaftlichen Funktion dieser Studiengänge akut.
Dieses Problem ist
letztlich aber nur ein Symptom für ein viel grundlegenderes Problem, nämlich
die zumindest in Deutschland bisher unzureichend geklärte Frage nach der
Legitimität von verschiedenen Protestformen. In der Diskussion um politischen
Protest und Konfliktaustragung wird meines Erachtens zu wenig beachtet, dass es
sich bei Protestbewegungen, die für sich in Anspruch nehmen für alle zu
sprechen, um die Entgrenzung der von Selvini Palazzoli et al. beschriebenen
psychotischen Spiele der Familie handelt. Es würde sich vermutlich lohnen, mit
den von Selvini Palazzoli et al. entwickelten Modellen und Begriffen die Formen
radikaler Protestbewegungen zu untersuchen [16]. Das problematische Verhalten
entzündet sich immer an enttäuschtem
Vertrauen in moderne Inklusionsmodi, an deren Geltung vormals geglaubt
wurde. Es wurden aber immer nur die Ziele und deren Vorteile hervorgehoben,
aber kaum auf die Anstrengungen, die das Erreichen dieser Ziele kostet, hingewiesen. Einen großen Teil dieser Anstrengungen nehmen dabei die Auseinandersetzungen mit anderen Menschen ein, die unvermeidlich auch mit Fehlschlägen und Niederlagen verbunden sind. Der verkürzte Blick auf die Ziele, ohne den beschwerlichen Weg der Zielerreichung zu beachten, hat eine illusionäre Anspruchshaltung gefördert, die zwangsläufig enttäuscht werden muss.
Eine Rekonstruktion gesellschaftlicher Konflikte mit sozialpsychologischen Mitteln macht die ganze Tragweite dieser Konflikte bewusst. Bis heute ist es eine relativ erfolgreiche Strategie persönliche Probleme zu gesellschaftlichen Problemen umzudeuten, um sie politisch anschlussfähig zu machen. Bis heute beteiligen sich auch diverse als wissenschaftliche Theorien getarnte politische Unternehmungen an dieser Umdeutung. Sie bezeichnen sich mit Vorliebe als »kritisch«. Sie beteiligen sich aber nur an der Verbreitung und Kultivierung egozentrischer Beobachtungsmodi, die erst die Probleme schaffen, die man bekämpfen will. Umso größer ist dann die Enttäuschung, wenn es nicht gelingt, sondern die Probleme immer größere Ausmaße annehmen. Mithin handelt es sich häufig um Probleme, die keiner politischen Regulierung bedürfen. Wenn sich die Politik tatsächlich solcher Probleme annehmen sollte, geht mit der Entgrenzung der psychotischen Spiele radikaler Protestler auch eine Entgrenzung des Politischen selbst einher. Das Politische, also das Drohen mit und die Anwendung von Gewalt, wird am Ende alle zwischenmenschlichen Beziehungen dominieren. Das dadurch entstandene soziale Chaos kann nur ein totalitärer Staat mit brutaler Gewalt wieder unter Kontrolle bringen.
Eine Rekonstruktion gesellschaftlicher Konflikte mit sozialpsychologischen Mitteln macht die ganze Tragweite dieser Konflikte bewusst. Bis heute ist es eine relativ erfolgreiche Strategie persönliche Probleme zu gesellschaftlichen Problemen umzudeuten, um sie politisch anschlussfähig zu machen. Bis heute beteiligen sich auch diverse als wissenschaftliche Theorien getarnte politische Unternehmungen an dieser Umdeutung. Sie bezeichnen sich mit Vorliebe als »kritisch«. Sie beteiligen sich aber nur an der Verbreitung und Kultivierung egozentrischer Beobachtungsmodi, die erst die Probleme schaffen, die man bekämpfen will. Umso größer ist dann die Enttäuschung, wenn es nicht gelingt, sondern die Probleme immer größere Ausmaße annehmen. Mithin handelt es sich häufig um Probleme, die keiner politischen Regulierung bedürfen. Wenn sich die Politik tatsächlich solcher Probleme annehmen sollte, geht mit der Entgrenzung der psychotischen Spiele radikaler Protestler auch eine Entgrenzung des Politischen selbst einher. Das Politische, also das Drohen mit und die Anwendung von Gewalt, wird am Ende alle zwischenmenschlichen Beziehungen dominieren. Das dadurch entstandene soziale Chaos kann nur ein totalitärer Staat mit brutaler Gewalt wieder unter Kontrolle bringen.
Dies ist keine
zwangsläufige Entwicklung, aber eine durchaus realistische Möglichkeit – die
1933 in Deutschland auf demokratischem Wege bereits einmal eingetreten ist –,
wenn man leichtfertig Verständnis für
und Akzeptanz von gewalttätigem
Verhalten vermischt. Das Verstehen einer Handlung bedeutet nicht zwangsläufig
sie zu akzeptieren. Ich habe lediglich versucht zu verstehen, warum Menschen zu gewalttätigem Verhalten neigen
können. Deswegen ist es noch lange nicht akzeptabel, selbst
wenn damit noch so gute Absichten verbunden sind. Die Gefahr unkritischer
Akzeptanz von gewalttätigem Verhalten ist aber zumindest dann relativ groß,
wenn ein paternalistisches Politikverständnis, ein fehlender Sinn für das Politische,
ein romantischer Blick auf die vermeintlich Unterlegenen und die daraus
abgeleitete moralische Überlegenheit der Unterlegenen sozial weit verbreitet
sind. Deutschland ist dafür immer noch ein fruchtbares Milieu. Mit der
Akzeptanz von gewalttätigem Verhalten als Mittel, die eigenen Ziele zu
verfolgen, wird auch der Unterschied von Freund und Feind in
zwischenmenschlichen Beziehungen mindestens als gefühlter reproduziert. Speziell Unterlegenen oder sich
unterlegen Fühlenden wird immer wieder gerne zugestanden, sich mit Gewalt zu
wehren, ohne genau danach zu fragen, welche Rolle sie eigentlich in der
konfliktbeladenen Beziehung spielen, in der sie es für notwendig halten zu
Gewalt als Mittel der Konfliktaustragung zu greifen. Wenn man auch nur selektiv
einer bestimmten Gruppe das Recht zugesteht Gewalt anzuwenden, korrumpiert sich
eine gesellschaftliche Ordnung, die den Gewaltverzicht zur Voraussetzung hat,
selbst, denn sie setzt damit eine unkontrollierbare Spirale der Gewalt in Gang.
Symbolische Gewalt bildet dabei nur den Einstieg und endet, sofern die
Eskalation nicht gestoppt werden kann, in physischer Gewalt.
Ein naives,
romantisiertes Verständnis von Protest und Kritik, das sich von bloßer Abwehr
und Verweigerung nicht unterscheidet, kann sich eine moderne Gesellschaft daher
nicht mehr leisten. Dieses Verständnis von Kritik geht über bloßes Negieren,
sei es in sachlicher, zeitlicher und sozialer Hinsicht, nicht hinaus. Ihre
Wurzeln sind tief in einem stratifikatorischen Verständnis von Gesellschaft
verankert, das selbst wiederum mit einer egozentrischen Wahrnehmung
korrespondiert. Die Kritik um des Kritisierens willen steht an oberster Stelle
– ausschließlich, ausschließend und unbedingt –, ungeachtet der Form oder des
Inhalts der Kritik. Sie ist defensiv und verteidigt nur das Bestehende – sich
selbst –, ganz egal für wie progressiv sie sich hält. Kritik, die nicht nur
zerstören, sondern etwas verändern soll, hört nicht beim naiven Negieren auf,
sondern fängt nach der Negation erst an ihre Argumente zu entwickeln. Nein zu
etwas zu sagen ist einfach. Etwas begründet zu bejahen ist dagegen schwer. Kritik,
die nicht in der Lage ist, Alternativen zum Kritisierten zu entwickeln,
verstärkt nur den Eindruck der Alternativlosigkeit. Sie ist eine intellektuelle
Sackgasse, da sie das Negieren bzw. sich selbst bereits für die Alternative
hält. Das Mittel wird zu seinem eigenen Zweck. Naive Kritik lehnt jede Form ab,
ist selbst aber nicht in der Lage neue Form zu geben und findet nur darin ihre
eigene Form.
Im Sinne von
Michel Serres ist diese Form der Kritik parasitär (vgl. 1987 [1980]). Sie
fordert, aber gibt nichts. Ihre Attraktivität erhält sie nur dadurch, dass sie
die Menschen mit ihren eigenen naiven, egozentrischen und unrealistischen
Wünschen ködert. Wer jedoch die Realität an unrealistischen Maßstäben misst,
kann nur enttäuscht werden. In dieser Form kann Kritik ihr Publikum lediglich
frustrieren, ihm aber keinerlei Hoffnung oder gar Vertrauen geben. Sie raubt wertvolle
Zeit und Energie und verschwendet sie in sinnlosen Kämpfen. Das einzige, was
diese Form der Kritik den Menschen gibt, ist das trügerische Gefühl zu den
Guten zu gehören. Und nicht wenige sind bereit für dieses Gefühl den damit
verbundenen Schmerz zu ertragen. Diese Form der Kritik ist nicht modern,
sondern führt direkt zurück an den Anfang. In der radikalen Ablehnung der Welt
zu Gunsten einer illusionären Utopie wurde nicht bemerkt, dass damit bereits
Gewalt als einziges Mittel der Kommunikation akzeptiert wurde. In aller
Radikalität betrieben, bringt sie lediglich ihre menschlichen Träger dazu sich gegenseitig
zu vernichten. Das Politische als Möglichkeit der physischen Vernichtung ist in
ihr immer schon angelegt. Ob sich diese Möglichkeit realisiert, ist eine Frage,
in welcher Radikalität diese naive Kritik betrieben wird. In sich selbst findet
sie keine Grenzen. Der Feind, den diese Kritik zu bekämpfen versucht, ist nicht der Andere, es ist sie selbst, die ihre eigenen schlechten Seiten
immer nur bei den Anderen erblicken kann, aber niemals im eigenen Verhalten. Naive,
abwehrende Kritik, wenn man sie überhaupt als Kritik bezeichnen kann, ist daher
selbstzerstörerisch – sozial und psychisch. Als Form, die Welt und sich selbst
zu beobachten, liegt sie auch den Denk- und Verhaltensmustern von Amokläufern
und Terroristen zugrunde. Diese Form der Kritik bzw. des Protests zu
kritisieren, ist daher immer auch ein Beitrag zur Gewaltprävention. Dazu muss
man diese Protestformen jedoch zunächst verstanden haben. Dieser Text sollte
ein Beitrag zu beidem sein – Verständnis und Kritik.
*1999 [1918], S.
185
[1] Wer glaubt,
bereits heute würde eine totale Überwachung stattfinden, sollte dringend sein
Verständnis des Wortes »total« überprüfen. Auch wenn ein derartiger Eindruck
immer wieder in den Massenmedien erweckt wird, eine totale Überwachung, wie man
sie vielleicht aus Romanen wie George Orwells »1984« kennt, findet faktisch
nicht statt. Wenn es wirklich eine solche Überwachung geben würde, dürfte es
eigentlich keine Kriminalität und keinerlei politische Opposition mehr geben.
Genauso wie es nach wie vor noch Kriminalität gibt, so können auch alle
möglichen politischen Protestbewegungen immer noch frei ihre Anliegen äußern –
auch die, die gegen die Überwachung der NSA protestieren. Einen besseren Beweis
für die völlige Überschätzung der heutigen technischen Möglichkeiten lässt sich
kaum finden.
[2] Wichtig ist
es den Zusatz »mit Hilfe« zu beachten, denn die Idee, die Anschlussfähigkeit
der Person auf gesellschaftstheoretischer Ebene als Problem zu behandeln,
scheint mir eine Konsequenz aus der Luhmann’schen Theorieanlage zu sein ohne
das Luhmann sie selbst in der Schärfe gezogen hat. Sie ist aber meiner Ansicht
nach in den Texten zur Form Person (vgl. 2005 (1991]) und zu
Inklusion/Exklusion (vgl. 2005 [1994]) angelegt. Zum ersten Mal bin ich bei der
Analyse der Exklusionsmuster von potentiellen Amokläufern von diesem Problem
ausgegangen, um Amokläufe als eine Lösung dieses Problems zu beschreiben. Siehe
hier.
Wichtig ist zu
betonen, dass es mir um den Zusammenhang von sozialen Integrationsprozessen und
psychischen Entwicklungen geht. Kritiken, die mir vorwerfen, ich würde Amok und
Terror lediglich aus der inneren Motivation der Täter erklären, greifen daher
zu kurz. In dem Text »Kommunikation
und Image« habe ich die allgemeinen sozialpsychologischen Annahmen dargestellt.
Eine wichtige psychische Bedingung für Kommunikation scheint mir die Angst zu
sein, dass der oder die Kommunikationspartner die eigene Person nicht genauso
sehen, wie man selbst. Daraus kann sich dann ein pathologisches Misstrauen entwickeln.
Diese wahrgenommene Differenz zwischen Selbst- und Fremdbild kann wiederum ein psychischer
Katalysator für soziale Exklusionsprozesse sein, denn sie wird auch das Handeln der Betroffenen beeinflussen. In Deutschland hat diese Angst vor dem Blick der Anderen zu einem
irrationalen Fetisch der Privatheit geführt.
[3] Eine
ausführliche Darstellung der einzelnen Bezugsprobleme der Funktionssysteme habe
ich in »Die
Beobachtung der Beobachtung 3.1 – Funktionale Differenzierung« gegeben.
[4] Sofern die
Gewaltanwendung nicht zum Tode führt, kann die von der Person, die Gewalt
anwendet, geforderte Handlung vom Opfer immer noch nachgeholt werden, um die
weitere Anwendung von Gewalt zu vermeiden. Auf diesem Prinzip beruht Folter.
Doch dies macht zugleich die unter Folter erpressten Geständnisse so
unglaubwürdig. Das Motiv ist nicht die Mitteilung verlässlicher Informationen,
sondern die Vermeidung von Gewalt. Dies kann einige Personen dazu bringen,
alles zu erzählen, was man von ihnen hören will.
[6] Durkheim sah
im exzessiven Individualismus bzw. einem fehlenden Zugehörigkeitsgefühl die
Ursache für egoistische Selbstmorde. Kommunikationstheoretisch interpretiert,
handelt es sich bei diesem exzessiven Individualismus um Ausschlusstendenzen.
Bereits Durkheim betrachtete also den egoistischen Selbstmord als eine Lösung
des Problems der Anschlussfähigkeit einer Person. Obgleich er in seiner Selbstmordstudie
Amok und Selstmordanschläge nicht berücksichtigte, sind viele seiner
Überlegungen zum egoistischen Selbstmord auch für diese Phänomene relevant.
[7] Dies ist
keine Anspielung auf den gleichnamigen Roman von Michel Houellebecq.
[8] Siehe zu dieser
Vorliebe der Massenmedien meinen Text »Die
Beobachtung der Beobachtung – Exkurs über Massenmedien«.
[9] Bei der
Verkehrung der Ohnmacht in Allmacht handelt es sich bei genauerer Betrachtung
um eine Pervertierung oder Subversion. Im Text spreche ich jedoch von
Radikalität. Hier ergab sich für mich die Frage, ob Radikalität nicht
zwangsläufig zur Pervertierung oder Subversion dessen führt, was radikalisiert
werden soll?
[10] Den Begriff
»Kulturpessimismus« übernehme ich von Fritz Stern (vgl. 2005 [1961]). Obwohl er
ihn zunächst nur für die Bezeichnung einer intellektuellen Bewegung des 19. und
beginnenden 20. Jahrhunderts in Deutschland verwendete, die schließlich im
Nationalsozialismus ihre politische Form annahm, machte er auch darauf
aufmerksam, dass es sich bei dem Grundmuster nicht um eine ausschließlich
deutsche Bewegung handelt. Die verhasste Gegenwart soll zugunsten einer
idealisierten Vergangenheit zerstört werden. Somit wird in der Vergangenheit
die Zukunft gesehen (vgl. Stern 2005 [1961], S. 7). Das konservative und pessimistische
Element entspringt einem als unveränderlich gedachten Attribut, das
unvermeidlich mit den unaufhaltsamen gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen
in Konflikt geraten muss.
[11] Gemeint ist
hier z. B. die politische Theorie Foucaults, der unter Politik nichts anderes
verstand als Entscheidungen zu treffen. Mit anderen Worten, Foucault setzte
Politik mit Organisieren gleich. Da jedoch nicht nur in der Politik
Entscheidungen getroffen werden, sondern überall dort, wo Organisationsbedarf
besteht, hat er einen Politikbegriff gebildet, der sich auf jegliche
zwischenmenschliche Beziehung anwenden lässt. In diesem Sinne ist sein
Politikbegriff universell. Macht lässt sich dann ebenfalls in jeder Situation
entdecken, wenn damit auf ein Moment der Willkürlichkeit bei jeder Entscheidung
hingewiesen werden soll. Doch in der Entscheidung zeigt sich zugleich die geistige
Autonomie und Freiheit der Menschen. In Foucaults Theorieansatz, der sich auch
als kritisch verstand, wurde immer nur die Macht der anderen zum Problem,
niemals die eigene, wenn man darunter eben nicht Willkür sondern Freiheit
versteht. In diesem Sinne muss Foucaults Ansatz als egozentrisch verstanden
werden. Er negiert die Autonomie anderer psychischer Systeme eben weil sie
zum Problem, ja Bedrohung der eigenen Autonomie wird. Die Entscheidungsfreiheit
der Anderen beschränkt die eigene Freiheit. Das fängt nicht erst beim Staat an,
sondern schon in jeder Alltagssituation mit den Kommunikationspartnern. Wird
eine solche Machttheorie von allen Mitgliedern einer Gruppe geteilt, so werden
die Autonomiebedürfnisse der Mitglieder gegeneinander ausgespielt. Da der
egozentrische Beobachterstandpunkt mit dem Gruppenstandpunkt gleichgesetzt
wurde, lässt sich aus der Innenperspektive dieses Problem nicht mehr als solches
beschreiben. Diese Leerstelle wird mit Mythologie oder Verschwörungstheorie
ausgefüllt. An solch geradezu tragischen Begriffsverwirrungen leidet die
Postmoderne bis heute.
[12] De Shazer
modifiziert den Begriff der regressiven Erzählung, den er selbst von anderen
Autoren übernommen hat, und spricht von abschweifender Erzählung, um das
Abschweifen von einem Ziel zu betonen (vgl. 2009 [1991], S. 110f.). Im
therapeutischen Kontext, in dem es um die Erarbeitung und Erreichung bestimmter
Ziele geht, ist diese Modifikation durchaus sinnvoll und zweckmäßig, um den
Therapieerfolg beurteilen zu können. In Bezug auf die postmoderne Narration
erscheint mir dies nicht zweckmäßig, da sie kein Ziel mehr hat bzw. in der
Ziellosigkeit ihr Ziel sieht. Insofern kann in diesem Fall nicht von einem
Abschweifen gesprochen werden. Und die an diese Einstellung anschließenden
regressiven Entwicklungen – sozial und psychisch – wären aus postmoderner Sicht
gar kein Abweichen, sondern sind durchaus gewollt. Deswegen möchte ich durch
die Rede von regressiven Erzählungen auf den Zusammenhang mit den durch diese
Erzählungen angestoßenen Entwicklungen aufmerksam machen bzw. wie eine
bestimmte Semantik das psychische Erleben strukturiert und das Handeln
orientiert.
[13] Interessant
sind in diesem Zusammenhang die Konsequenzen für Sprache. Wenn es nur noch um
den Ausdruck von Emotionen und nicht mehr um das Formulieren von Argument und
Gegenargument geht, tritt der Informationsaspekt einer sprachlichen Mitteilung
immer weiter zurück und der performative Aspekt wird zur primären Funktion der
Sprache. Zur Illustration dieser Entwicklungstendenz sei auf Luhmanns
Kommentare zu Habermas‘ Theorie kommunikativen Handelns in der Vorlesung zur
Gesellschaftstheorie verwiesen (vgl. 2009 [2005], S. 104f.). Obwohl Habermas
kein postmoderner Theoretiker ist, scheint seine Theorie kommunikativen
Handelns eine solche Sprache zu implizieren. Luhmann weist darauf hin, dass
Sprache eigentlich keine Funktion mehr hätte, wenn das Ziel jeder Kommunikation
ein Konsens wäre, wie es Habermas annimmt. Denn dann wäre bereits alles gesagt.
Die einzige Funktion, die Sprache bei einem vollständigen Konsens noch haben
könnte, ist sich gegenseitig sein Wohlwollen auszudrücken. Negativ formuliert,
hätte eine solche Sprache die Funktion Dissens und Konflikte zu unterdrücken. Diejenigen,
die diese Sprache benutzen, wären damit nicht mehr in der Lage Differenzen im
Erleben wahrzunehmen oder anzusprechen. Diese Sprache duldet, wenn man so sagen
darf, keinen Widerspruch. Wenn es nur noch darum geht, sich wechselseitig der
Bestätigung und Anerkennung zu versichern, würde sich die Funktion dieser
Sprache darin erschöpfen die narzisstischen Geltungsbedürfnisse ihrer Nutzer zu
befriedigen. Jedes Thema wäre lediglich eine Projektionsfläche persönlicher
Geltungsbedürfnisse. Ob diese Sprache ein kulturgeschichtlicher Rückschritt ist, kann man sich mit der folgenden Frage beantworten: Wäre es möglich mit einer
solchen Sprache eine Jagd zu koordinieren, um das Überleben einer Gruppe zu
sichern?
[15] Siehe als
Beispiele für solche Kommunikationsmodelle Ruesch/Bateson 2012 [1951], Goffman
2001 [1981] sowie meine eigenen Texte »Doppelte
Kontingenz und die Schematismen der Interaktion«, »Kommunikation
und Image« und »Die
Beobachtung der Beobachtung 3.1 – Funktionale Differenzierung «.
[16] Ich beziehe
mich hier ausdrücklich nur auf die Begriffe und Modelle, nicht aber auf die
therapeutischen Methoden. Diese können nicht einfach auf größere Gruppen,
Organisationen oder gar Gesellschaften übertragen werden. Die ersten Erfahrungen mit Konfliktbewältigung werden in der Familie gemacht. Die dabei gelernten Verhaltensmuster werden häufig auf andere Konfliktsituationen außerhalb der Familie übertragen. Die Fallgeschichten von Selvini Palazzoli et al. drehen sich um die Themen Anerkennung, verdeckte Koalitionen,
enttäuschtes Vertrauen, Gesichtsverlust und die Pathologie als Anschlussattraktor. Dieselben Themen kommen auch in politischen Propagandaschlachten vor, aber nicht nur da. Ein erheblicher Teil jeder Öffentlichkeitsarbeit, egal ob für prominente Personen oder Organisationen mit erheblichen Einfluss, konzentriert sich auf die Abwehr von verleumderischen Angriffen auf das jeweilige Image - was nicht bedeutet, dass die Angegriffenen nicht mit denselben fragwürdigen Methoden zurückschlagen können.
Literatur
Bateson, Gregory (1981 [1964]): Die
logischen Kategorien von Lernen und Kommunikation. In: ders: Ökologie des
Geistes. Anthropologische, psychologische, biologische und epistemologische
Perspektiven. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main. S. 362 – 399
Coser, Lewis A. (2009 [1956]): Theorie
sozialer Konflikte. VS Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden
De Shazer, Steve (2009 [1991]): Das
Spiel mit den Unterschieden. Wie therapeutische Lösungen lösen. 6. Auflage
Carl-Auer-Systeme Verlag Heidelberg
Durkheim,
Emile (1983 [1897]): Der
Selbstmord. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main
Freud,
Siegmund (2007 [1930]): Das
Unbehagen in der Kultur. In: ders.: Das Unbehagen in der Kultur und andere
kulturtheoretische Schriften. 10. unveränderte Auflage S. Fischer Verlag
Frankfurt am Main. S. 29 – 108
Gehlen, Arnold (2004 [1969]): Moral und
Hypermoral. Eine pluralistische Ethik. 6. erweiterte Auflage Klostermann
Frankfurt am Main
Goffman, Erving (2001 [1981]): Die
Interaktionsordnung. In: ders: Interaktion und Geschlecht. 2. Auflage Campus
Verlag Frankfurt/New York. S. 50 – 104
Kron, Thomas/Heinke, Eva-Maria (2011): Terrorismus
als Bedrohung in einer globalisierten Welt. In: Bohrmann, Thomas/Lather, Karl-Heinz
Lather/Lohmann, Friedrich (Hrsg.): Handbuch Militärische Berufsethik. Band 1:
Grundlagen. Springer VS Wiesbaden. S. 273 - 288
Laing, Ronald
D. (1976 [1960]): Das geteilte Selbst. Eine existentielle Studie über
geistige Gesundheit und Wahnsinn. Rowohlt Taschenbuch Verlag Reinbek bei
Hamburg
Luhmann,
Niklas (1992): Die
Wissenschaft der Gesellschaft. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (1997): Die Gesellschaft
der Gesellschaft. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main
Luhmann, Niklas (2003 [1975]): Macht. 3.
Auflage Lucius & Lucius Stuttgart
Luhmann, Niklas (2005 [1991]): Die Form
„Person“. In: ders.: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch.
2. Auflage VS Verlag
für Sozialwissenschaften Wiesbaden. S. 137 – 148
Luhmann, Niklas (2005 [1994]): Inklusion und Exklusion. In: ders.: Soziologische
Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch. 2. Auflage VS Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden. S.
226 – 251
Luhmann, Niklas (2009 [2005]): Einführung in der Theorie der Gesellschaft. 2. Auflage
Carl-Auer-Systeme Verlag Heidelberg
Plessner, Helmuth (2002 [1924]): Grenzen der Gemeinschaft. Eine Kritik des sozialen
Radikalismus. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main
Ruesch, Jürgen/Bateson, Gregory (2012 [1951]): Kommunikation. Die soziale Matrix
der Psychiatrie. 2. korrigierte Auflage Carl-Auer-Systeme Verlag Heidelberg
Schmitt, Carl (2009 [1932]): Der Begriff
des Politischen. 8. Auflage Duncker & Humblot Berlin
Selvini Palazzoli, Mara/Cirillo, Stefano/Selvini, Matteo/Sorrentino,
Anna Maria (1992
[1988]): Die psychotischen Spiele in der Familie. Klett-Cotta Stuttgart
Serres, Michel (1987 [1980]): Der Parasit. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main
Simmel, Georg (1999 [1916]): Die Krisis der Kultur. In: ders.: Gesamtausgabe Band
16. Der Krieg und die geistigen Entscheidungen [u. a.]. Suhrkamp Verlag
Frankfurt am Main. S. 37 – 53
Simmel, Georg (1999 [1918]): Der
Konflikt der modernen Kultur. In: ders.: Gesamtausgabe Band 16. Der Krieg und
die geistigen Entscheidungen [u. a.]. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main. S. 181
– 208
Spencer-Brown, George (1997 [1969]): Laws Of Form. Gesetze der Form. Bohmeier Verlag
Lübeck
Stern, Fritz (2005 [1961]):
Kulturpessimismus als politische Gefahr. Eine Analyse nationaler Ideologie in
Deutschland. Klett-Cotta Stuttgart
Weber, Max (1984 [1921]): Soziologische
Grundbegriffe. 6. Auflage J. C. B. Mohr Tübingen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen